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Interview: Legal Highs
Legal, Illegal, Scheißegal?
Sie überschwemmen den Markt seit einiger Zeit. Sie werden von dubiosen Herstellern als legale Alternativen zum staatlich kriminalisierten Cannabis-Konsum angepriesen. Sie versprechen unbeschwerten Spaß, ganz einfach auf Bestellung. Synthetisch hergestellte Cannabinoide, die unter dem Namen "Kräutermischung" als "Legal Highs" gehandelt werden. Sie sollen im menschlichen Gehirn die Wirkung von echtem Cannabis erzeugen, ohne dem User Angst vor gesetzlicher Schikane und polizeilicher Verfolgung einzujagen. Immer mehr Menschen spielen mit dem Gedanken, Legal Highs wegen drohender Gesetzeskonflikte aufgrund von Cannabis-Genuss auszuprobieren. Sie scheuen einen drohenden Führerscheinentzug sowie Vorstrafen.
Das Problem ist: Weder die Inhaltsstoffe noch die Hersteller der einzelnen Produkte, von denen es mittlerweile Hunderte verschiedene gibt, sind bekannt. Chinesische Pharmafabriken liefern die sich ständig ändernden Grundzutaten. Europäische Undergroundlabors mischen diese zu gebrauchsfertigen Endprodukten und werfen sie auf den Markt. So wird der Konsument zum Versuchskaninchen. Und was eigentlich als harmloser und legaler Spaß gedacht war, geht manchmal schief. Hier dazu das Interview mit einem Betroffenen, der einfach nur Glück hatte.
grow! Wie bist du auf die Idee gekommen, Legal Highs zu kaufen?
Antwort: Ich rauche seit gut 30 Jahren Cannabis. Auch den Umgang mit anderen psychoaktiven Substanzen wie Shrooms und Acid (LSD) bin ich gewöhnt. Die ganzen Jahre hat es mich aber gestört, dass ich ständig auf der Hut sein muss, wenn ich mich meinem Hobby widme. Deswegen habe ich mit Interesse die Diskussion um die sogenannten Legal Highs verfolgt und mich gefragt, ob sie vielleicht auch eine legale Möglichkeit für mich sein könnten, um mir kleine Auszeiten zu nehmen. Nachdem ich recherchiert und vermeintliche Vorzüge bzw. Gefahren in entsprechenden Internet-Foren kennengelernt habe, bin ich zu dem Entschluss gekommen, es selbst einmal auszuprobieren, um Gewissheit zu haben.
grow! Wie bist du an die Legal Highs gekommen?
Antwort: Haha. Das war ganz einfach. Es gibt Dutzende von entsprechenden Internetshops, in denen man die Sachen kaufen kann. Geliefert werden die dann per Post. Keine Straßendealer, kein Geldgefummel in dunklen Ecken. Easy. Ich habe also einen solchen Shop besucht, mir ein Produkt ausgesucht, das mich an eine bekannte Gras-Sorte erinnert hat, und den Kauf-Button gedrückt. Danach habe ich den Kaufpreis überwiesen, und vier Tage später kam ein Einschreiben mit der Ware.
grow! Was hast du erwartet?
Antwort: Gute Frage. Natürlich habe ich gelesen, dass es manchen Leuten nach dem Konsum von Legal Highs nicht besonders gut ging. Andere wiederum haben sich über eine scheinbar mangelhafte Wirkung beschwert. Auf der anderen Seite habe ich an meine eigenen Kapazitäten in Sachen Cannabis gedacht. Meine Vorstellung war: Kauf ein potentes Produkt, und dann dosiere es zunächst einmal sehr vorsichtig. Meiner Meinung nach konnte damit eigentlich nichts schiefgehen. Erwartet habe ich eine Wirkung, die irgendwo zwischen einem leichten Haze-High und einem mittleren Amnesia-Stoned liegen würde.
grow! Hast du irgendwelche Vorkehrungen für deine Session getroffen?
Antwort: Nö, warum? Es war doch nur "Gras". Das Zeug kam stylisch verpackt an und hatte die Konsistenz von gegrindetem Weed. Alles schien soweit vertraut.
grow! Wie ist das dann abgelaufen, wie hast du die Legal Highs konsumiert?
Antwort: Also, es war nachmittags, und ich hatte ein paar Kollegen bei mir zu Gast. Denen wollte ich bei dieser Gelegenheit meine neueste Errungenschaft präsentieren. Wir saßen also in meinem Wohnzimmer und chillten, als ich meinen Einkauf präsentierte. Einer meiner Freunde lachte und meinte, das wäre doch nur Trash. Ein anderer war skeptisch, aber neugierig. Er meinte jedoch, er würde mir lieber den Vortritt lassen. Ich selbst habe mir dann ungefähr die Hälfte eines regulären Pur-Zuges in mein Pur-Pfeifchen gepackt, weil ich keinen Tabak rauche, und den Kram angezündet. Es schmeckte eigentlich nach nichts. Eher so, als würde man uraltes, ausgedroschenes Gras anzünden. Es hat nicht gekratzt, und so habe ich noch einen weiteren Pur-Zug genommen. Insgesamt also zwei Mini-Purzüge, vielleicht 1/20 Gramm, maximal. Dann habe ich gewartet.
grow! Und was ist dann passiert?
Antwort: Ungefähr eine halbe Minute nach dem Inhalieren setzte die Wirkung ein. Zunächst erinnerte mich die ganze Geschichte an ein recht starkes Weed, und ich dachte noch: Hoppla, gut, dass du nur zwei Hits genommen hast. Im Lauf der nächsten zwei Minuten steigerte sich die Wirkung im Körper und ich dachte: Mein lieber Schwan, so langsam reicht es. Meine Kumpels saßen dabei und lachten. Kurz darauf war für mich Schluss mit lustig, weil ich merkte, dass meine Pumpe anfing, beunruhigend kräftig und schnell zu schlagen. Ich stand auf, um mir in der Küche etwas zu trinken zu holen. Dabei merkte ich, dass mein Gleichgewichtssinn völlig aus dem Ruder lief. Der Boden wackelte, mein Kreislauf sackte plötzlich komplett ab, und ich musste mich schnell wieder setzen. Da merkte ich, dass irgendetwas hier ganz gehörig nicht stimmt. Im Verlauf der nächsten ein, zwei Minuten gesellte sich zu den ohnehin schon verstörenden Symptomen eine veränderte Wahrnehmung meiner Umgebung. Meine Kumpels mutierten zu sprechenden Gegenständen. Ich saß plötzlich in einem Raum mit menschenartigen Gegenständen, die mir gänzlich fremd waren.
grow! Das stelle ich mir ganz schön dramatisch vor.
Antwort: Das war es auch! Es war ein Angriff, zeitgleich auf allen Ebenen. Ein Angriff auf Körper und Geist, den ich nicht erwartet hatte. Jedes einzelne der Symptome hätte für sich schon ausgereicht, um massives Unwohlsein zu erzeugen, aber in ihrer Kombination war die Wirkung verheerend. Ich war zu diesem Zeitpunkt komplett schutzlos und hatte ernsthafte Angst, schwerwiegende Schäden an der Gesundheit davon zu tragen. Das Problem war, dass die Wirkung ja nicht nachließ oder wenigstens stagnierte. Im Gegenteil. Für die Dauer einer guten halben Stunde nahm sie kontinuierlich weiter zu. Auch meinen Kollegen, die ich zu dem Zeitpunkt ohnehin nicht mehr als solche wahrnahm, war inzwischen das Lachen vergangen. Das war eine veritable Panikattacke mit drohendem Kreislaufkollaps.
grow! Was ging dir da durch den Kopf, oder ging dir gar nichts mehr durch den Kopf?
Antwort: Ich denke, es war mein Glück, dass ich schon auf eine gewisse Erfahrung in Sachen Psychedelika zurückblicken kann. Auf der einen Seite hatte ich massive Angst, die Kontrolle über mein Denken und Handeln zu verlieren. Auf der anderen Seite gelang es mir, auf autosuggestive Art und Weise die Gewissheit herzustellen, dass mein Zustand nur die Folge einer Scheißsubstanz war. Ein Zustand, der ja wohl bald zum Stillstand kommen musste. Mir ging alles und nichts durch den Kopf - gleichzeitig. Ich dachte an mein echtes Gras, das nebenan in meinem Zimmer lag und infolge eines offiziellen Notfallbesuchs leicht entdeckt werden konnte. Ich dachte an meine Freundin, der ich in meiner momentanen Verfassung bei ihrer Rückkehr kaum unter die Augen treten konnte. Und ich dachte an mein Herz, das mittlerweile nicht nur wie ein Presslufthammer schlug, sondern auch zunehmend schmerzte. "Herzinfarkt", schoss es mir durch den Kopf. Das war, glaube ich, eine der schlimmsten Situationen meines Lebens.
grow! Hast du konkrete Gegenmaßnahmen in die Wege geleitet?
Antwort: Ich raffte mich auf und ging in die Küche, um einen ganzen Liter Saft zu trinken und eine Banane zu essen. Damit wollte ich dem Körper zumindest ein wenig mehr Substanz zur Gegenwehr verpassen. Meinen ratlosen Kumpels, die ich in einer lichten Minute als solche identifizierte, raunte ich zu, nur bei Bewusstlosigkeit den Notarzt zu rufen und sich ansonsten auf überwachende Maßnahmen zu beschränken. Ich lief ganz langsam durch meine Wohnung, um meinen Kreislauf wieder auf Trab zu bringen und mich nicht in abstrusen Gedankenketten zu verlieren. Ich betrachtete meine alte Plattensammlung, um meine Sinne wieder ein wenig in den Griff zu kriegen, und murmelte (so erzählten mir es meine Kumpels später) ständig vor mich hin: "Easy, easy. Es ist alles easy. Bald ist der Scheiß vorbei, und dann ist alles wieder gut." Mehr konnte ich in der Situation nicht tun.
grow! Ab welchem Zeitpunkt hattest du das Gefühl, das alles gut gehen könnte?
Antwort: Das war ungefähr ein knappe Stunde, nachdem ich die beiden Züge genommen hatte. Erst als es mir im Lauf von rund 30 Minuten gelungen war, meinen Kreislauf zu stabilisieren und nicht in ein seelisches Nirvana abzudriften, spürte ich, dass die unmittelbare Rauschwirkung ganz langsam zurückging. Ich konnte langsam wieder klare Gedanken fassen und taktische Maßnahmen einleiten. Dazu ließ ich mir kaltes Wasser über die Handgelenke laufen. Das brachte schließlich den Durchbruch, weil es für eine weitere Kreislaufstabilisierung sorgte und das Herzrasen ein wenig minderte. Allerdings blieben weiterhin starke Herzschmerzen bestehen, ein Umstand, der mir zunehmend Sorge bereitete.
grow! Wie ging es dann weiter für dich?
Antwort: Nach gut zwei Stunden war ich endlich wieder soweit, dass ich ein vernünftiges Gespräch führen und mich hinlegen konnte. Die akute Rauschphase war vorbei, ebenso das gefährliche Herzrasen und die Gleichgewichtsprobleme. Allerdings dauerten meine beunruhigenden Herzschmerzen weitere drei Tage (!) an, ehe auch sie abebbten. Ein allgemeines Gefühl der Niedergeschlagenheit hält jedoch bis heute (zwei Wochen nach dem Ereignis, d. Verf.) an.
grow! Würdest du Legal Highs noch einmal probieren, evtl. mit einem anderen Produkt?
Antwort: Bist du verrückt? Never ever. Es war eine ausgesprochene Dummheit von mir, den Mist auszuprobieren. Ich ärgere mich über mich selbst. Mir ist inzwischen bewusst, dass die Angelegenheit um Haaresbreite gut gegangen ist. Es hätte auch sehr leicht in der Klapse, der Notaufnahme oder sogar auf dem Friedhof enden können. In Zukunft heißt es für mich wieder: Pfeif auf die Polizei. Pfeif auf den Staatsanwalt, und scheiß auf vermeintlich sichere und legale Chemie-Cannabinoide. Ob Legal Highs legal sind oder illegal, ist mir inzwischen scheißegal, weil die Hersteller ihren Chemiemüll in Zukunft von mir aus selbst rauchen können. Ich bevorzuge jedenfalls eher ein Treffen vor Gericht, als auf der Intensivstation.
grow! Was würdest du Leuten empfehlen, die ebenfalls mit dem Gedanken spielen, Legal Highs zu kaufen?
Antwort: Ich spreche keine Empfehlungen aus. Das muss jeder selbst entscheiden. Wer Bock hat, seine Gesundheit zu ruinieren und irgendwann vielleicht verblödet dazusitzen oder aus der Schnabeltasse zu frühstücken, der soll fleißig zugreifen. Alle anderen sollten ihren gesunden Menschenverstand einschalten - selbst wenn das Gehirn sagt: "Ich will aber!"
Zwei Empfehlungen möchte ich aber trotzdem aussprechen. Die erste geht an die Hersteller und Händler von "Kräutermischungen", die scheinheilig ihre Hände in Unschuld waschen, weil ihre Produkte ja "nicht für den menschlichen Konsum" bestimmt seien. Liebe Hersteller und Händler, was ihr herstellt, ist Müll, und eure Habgier rechtfertigt nicht die gesundheitliche Schädigung gutgläubiger Konsumenten. Raucht einmal euren Scheiß selber und schaut dann, wie ihr darüber denkt.
Für den Gesetzgeber habe ich folgenden Tipp: Überlegen Sie bitte einmal, was Priorität für Sie hat. Menschen oder Prinzipien. Solange Sie harmlose Cannabis-Konsumenten auf der Basis überholter Rechtsauffassungen und trotz geänderter sozialer Realitäten kriminalisieren, tragen Sie eine moralische Mitschuld daran, dass sich Menschen auf die gefährliche Suche nach legalen und potentiell schädlichen Ausweichprodukten machen. Denken Sie einfach mal in einer klaren Minute darüber nach.
grow! Wir danken dir für das offene Gespräch.
Dieser Artikel stammt aus der grow! Ausgabe 3-2016. Wir veröffentlichen hier aus jeder neuen Ausgabe unseres Print-Magazins vier vollständige Artikel - erst als Leseproben, acht Wochen später als vollständige Texte, gratis für alle. Falls du diese Ausgabe nachbestellen möchtest, schau doch mal in unseren Shop. Alternativ findest du die Ausgabe auch als ePaper zum bequemen Lesen auf deinem Smartphone, PC oder Tablet.
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