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Medizin: CBD in der Krebstherapie

26.07.2023 12:20
von grow! Magazin
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Medizin

Etwa jeder zweite Bundesbürger erleidet im Laufe seines Lebens eine Krebserkrankung. 500.000 Menschen erkranken jährlich in Deutschland. Es ist eine sehr belastende Diagnose für die Betroffenen. Viele suchen nach Möglichkeiten, wie sie die Standardtherapie mit Operation, Strahlentherapie und Chemotherapie unterstützen können. Grundlagenforschung hat zu vielen Cannabinoiden, einschließlich CBD, gezeigt, dass sie (1) die Nebenwirkungen von Chemotherapien lindern und (2) die Wirksamkeit einiger Krebsmedikamente verstärken können. Daher wird CBD zunehmend als unterstützende Therapie in der Krebsbehandlung eingesetzt, oft in Kombination mit Standard-Chemotherapeutika. CBD ist jedoch ein Wirkstoff, der verschiedene biologische Prozesse in Zellen beeinflusst und daher zu unvorhersehbaren Ergebnissen führen kann, insbesondere in Kombination mit anderen Medikamenten. CBD scheint die Wirksamkeit einiger Krebsmedikamente zu verstärken, manchmal aber auch zu vermindern. Aus diesem Grund sind viele Onkologen oft zurückhaltend beim Einsatz von CBD und anderen Cannabinoiden. Sie befürchten mögliche negative Wechselwirkungen mit Standardtherapien, die zu einer verminderten Wirksamkeit der Standardtherapie führen könnten. In dieser Übersicht gebe ich einen kurzen Überblick über den aktuellen Wissensstand zu Wechselwirkungen von CBD mit ausgewählten Krebs-Chemotherapeutika. Dabei beziehe ich mich vor allem auf eine ausführliche aktuelle Übersicht zu diesem Thema (Buchtova et al. 2023).

Das Verständnis von Arzneimittelinteraktionen ist ein grundlegendes, aber schwieriges pharmakologisches Thema, das in der Krebstherapie aufgrund des normalerweise engen therapeutischen Fensters und der potenziell schwerwiegenden Toxizitätsprofile von Arzneimitteln, die häufig bei Risikopatienten und Patienten mit langer Behandlungsgeschichte eingesetzt werden, besonders problematisch ist. Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln können zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, einschließlich verminderter oder verstärkter therapeutischer Wirkungen oder unerwünschter Reaktionen.

CBD hat den Vorteil, dass es nicht psychoaktiv, sicher und gut verträglich ist. CBD lindert therapiebedingte Beschwerden und könnte sogar direkte krebshemmende Eigenschaften haben. Es ist jedoch noch nicht vollständig geklärt, ob CBD die begleitende Chemotherapie verbessert oder untergräbt.

 

Wechselwirkungen mit Antimetaboliten

Antimetabolite sind kleine Moleküle, die den Bausteinen der Erbsubstanz (DNA) ähneln. Aufgrund dieser Ähnlichkeit können sie fälschlicherweise in die DNA eingebaut werden oder die Synthese der DNA hemmen.

5-Fluorouracil wird üblicherweise zur Behandlung einer Reihe von Tumoren eingesetzt, darunter auch Tumoren des Magen-Darm-Trakts und des Kopf-Hals-Bereichs, mit den üblichen Nebenwirkungen wie Entzündungen der Schleimhäute im Mund und im Magen-Darm-Trakt. In einem Experiment mit Mäusen reduzierte CBD diese Entzündung der Mundschleimhaut. Die Wirksamkeit und Sicherheit von CBD in Kombination mit 5-Fluorouracil und einigen anderen Chemotherapeutika soll in einer klinischen Studie bei Dickdarm- und Enddarmkrebs getestet werden (Studiennummer: NCT03607643).

Gemcitabin wird häufig bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungen-, Bauchspeicheldrüsen-, Blasen- und Brustkrebs eingesetzt. Grundlagenforschung deutet auf eine Verstärkung der krebshemmenden Wirkung von CBD hin. So verlängerte die kombinierte Behandlung mit CBD und Gemcitabin im Mausmodell die Überlebenszeit der Tiere bei Bauchspeicheldrüsenkrebs signifikant. Die kombinierte Behandlung mit CBD und Gemcitabin bei Bauchspeicheldrüsenkrebs wird derzeit in einer klinischen Studie untersucht (Studiennummer: NCT03607643).

Methotrexat wird in Kombination mit anderen Chemotherapeutika zur Behandlung verschiedener Krebsarten eingesetzt, darunter akute lymphatische Leukämie (Blutkrebs), Lymphome, Brust- und Harnblasenkrebs sowie Knochenkrebs. Eine Kombinationstherapie mit CBD könnte zu einer Anreicherung on den Krebszellen führen, die die Wirksamkeit des Medikaments erhöht, aber möglicherweise auch seine unerwünschten Wirkungen verstärkt. Diese Hypothese muss jedoch noch experimentell bestätigt werden.

 

Wechselwirkungen mit Alkylierungsmitteln und Arzneimitteln auf Platinbasis

Alkylierungsmittel sind Substanzen, die auf DNA und Proteine abzielen und zu den ältesten Chemotherapeutika gehören. Medikamente auf Platinbasis werden gemeinhin als Alkylierungsmittel eingestuft. Carmustin wird zur Behandlung von Hirntumoren, hauptsächlich Glioblastoma multiforme, sowie von Lymphomen und Melanomen eingesetzt. Im Experiment führte die gleichzeitige Verabreichung von CBD zu einer Erhöhung der Empfindlichkeit von Glioblastomzellen gegenüber Carmustin. Interessanterweise wurde dieser Effekt bei normalen menschlichen Gehirnzellen (Astrozyten) nicht beobachtet, was bedeutet, dass CBD die bösartigen Zellen attackiert, die gesunden Zellen jedoch nicht beeinflusst.

Temozolomid eignet sich besonders für die Behandlung von Hirntumoren. Experimente mit menschlichen Gliomzellen, primären Glioblastomzellen und normalen menschlichen Astrozyten deuten darauf hin, dass die Wirksamkeit von Temozolomid durch CBD verstärkt wird. Wie im Fall von Carmustin wurde die Zellgiftigkeit von Temozolomid in Glioblastomzellen potenziert, nicht aber in gesunden Astrozyten. In einer Studie steigerte die Kombination von CBD mit Temozolomid das Tumorwachstum in einem Maus-Glioblastom-Modell im Vergleich zur alleinigen Behandlung mit Temozolomid. In einer anderen Studie mit demselben Mausmodell wurde jedoch der gegenteilige Effekt beobachtet. Es ist unklar, warum diese beiden Studien zu so stark voneinander abweichenden Ergebnissen kamen. Derzeit werden in zwei klinischen Studien die Auswirkungen von Kombinationen aus CBD und Temozolomid bei Patienten mit Glioblastom untersucht (Studiennummern: NCT03607643 und NCT03687034).

Cisplatin wird in großem Umfang als Chemotherapeutikum zur Behandlung solider Tumore eingesetzt, obwohl es schwere Nebenwirkungen verursacht (Schädigung von Nieren, Leber, Magen-Darm-Trakt und Gehör). Mehrere Hinweise deuten darauf hin, dass CBD diese durch Cisplatin hervorgerufenen Nebenwirkungen wirksam abschwächt. So wurde beispielsweise die Nierengiftigkeit, ein häufiger limitierender Faktor bei der Behandlung mit Cisplatin, bei Mäusen durch CBD wirksam unterdrückt.

Neben der Fähigkeit, unerwünschte Wirkungen zu verringern, scheint CBD auch die Krebshemmung von Cisplatin in Endometriumkrebs-Zelllinien zu verstärken. Bei Eierstockkrebs-Zellen hingegen hatte CBD keinen Einfluss auf die Cisplatin-induzierte Zytotoxizität, und bei höheren CBD-Konzentrationen wurde eine zellschützende Wirkung beobachtet. Auch bei Glioblastom-Zellen führte die kombinierte Behandlung mit CBD und Cisplatin zu gemischten Ergebnissen; je nach den verwendeten Wirkstoffkonzentrationen wurden additive, synergistische und antagonistische Effekte beobachtet.

Oxaliplatin wird hauptsächlich zur Behandlung von Dickdarmkrebs eingesetzt und verursacht weniger schwere Nebenwirkungen als Cisplatin. Nierenschäden und Schädigung des Gehörs sind relativ selten. Bemerkenswert ist, dass CBD bei Mäusen die durch Oxaliplatin ausgelöste Nervenschädigung und die damit verbundenen Schmerzen stark abschwächt. Eine Studie aus 2021 zeigte, dass CBD dabei eine schmerzlindernde Wirkung hat, die teilweise auf Interaktionen mit dem CB1-Rezeptor zurückzuführen ist. CBD stellte in einer Studie mit Darmkrebszellen, die eine Resistenz gegen Oxaliplatin entwickelt hatten, die Empfindlichkeit wieder her. Oxaliplatin in Kombination mit CBD wird derzeit in einer klinischen Studie bei Dickdarmkrebs untersucht (Studiennummer: NCT03607643).

Carboplatin wird zur Behandlung von Keimzelltumoren im Hoden sowie von gynäkologischen, Kopf-Hals-, Thorax- und Harnblasenkrebs eingesetzt. Es hat weniger unerwünschte Wirkungen als Cisplatin. Das derzeitige Wissen über die Wechselwirkung zwischen CBD und Carboplatin ist begrenzt, da die Kombination beider Medikamente nur in zellulären Modellen des Blasenkarzinoms bei Hunden getestet wurde, bei denen die Wirkung sich gegenseitig hemmte.

 

Wechselwirkungen mit Mikrotubuli-Targeting-Wirkstoffen

Mikrotubuli sind Bestandteile des Zellskeletts, also eines Systems, das die Zellen stabilisiert. Mikrotubuli-Targeting-Agenzien hemmen die Entwicklung des Zellskeletts, wodurch sich eine Krebshemmung einstellt.

Vinblastin wird häufig zur Behandlung des Hodgkin-Lymphoms, des Lymphosarkoms, des Choriokarzinoms, des Neuroblastoms, verschiedener Karzinome, der Leukämie, des Wilkins-Tumors und des Retikulumzell-Sarkoms eingesetzt. Einige Studien deuten auf eine Potenzierung der heilenden Wirkung von Vinblastin durch CBD hin. So kann CBD bei Leukämiezellen dazu beitragen, die Vinblastinresistenz zu überwinden. Die synergistische Wirkung von CBD und Vinblastin, die sich in einer verringerten Lebensfähigkeit und einer Zunahme des programmierter Zelltods manifestierte, wurde auch bei Blasenkrebs des Hundes bestätigt.

Paclitaxel wird zur Behandlung verschiedener solider Tumore eingesetzt. CBD war in der Lage, die durch Paclitaxel ausgelöste Nervenschädigung bei Mäusen zu reduzieren. In derselben Studie wurden auch additive und synergistische Wirkungen bei Brustkrebszellen von Mäusen und Menschen beobachtet. Andere Studien fanden bei Zelllinien von Brust- und Eierstockkrebs synergistische oder additive Wirkungen einer CBD-Vorbehandlung auf die Giftigkeit für Krebszellen.

In einer Studie aus dem Jahr 2020 hatte die gemeinsame Behandlung mit CBD und Paclitaxel synergistische und additive Wirkungen bei Bauchspeicheldrüsen-Zellen, allerdings nur bei relativ hohen CBD-Konzentrationen. Während CBD die Lebensfähigkeit nach einer Paclitaxel-Behandlung in einigen Zelllinien von Dickdarmkrebs nicht verringerte, wurde eine additive Wirkung auf die Hemmung der DNA-Replikation beobachtet. Darüber hinaus verstärkte CBD die krebshemmende Wirkung von Paclitaxel in Endometriumkrebs-Zelllinien. Eine kombinierte Behandlung mit CBD könnte die Wirksamkeit von Paclitaxel erhöhen, wenn auch auf Kosten einer gleichzeitigen Zunahme der unerwünschten Wirkungen.

Docetaxel wird zur Behandlung von metastasierendem Brust-, Lungen-, Prostata-, Magen- und Kopf-Hals-Krebs eingesetzt. Es scheint wirksamer als Paclitaxel zu sein. Wissenschaftler zeigten, dass CBD die Wirksamkeit von Docetaxel in menschlichen Prostatakrebszellen verstärken kann. Auch in einem Mausmodell verstärkte CBD die Wirksamkeit von Docetaxel. Auch bei Brustkrebszellen fand sich in bestimmten Konzentrationsbereichen eine Verstärkung der Docetaxel-Wirkung durch CBD.

Vincristin wird zur Behandlung von Krebserkrankungen wie Leukämie, Lymphomen, Krebserkrankungen des zentralen Nervensystems und Knochenkrebs eingesetzt. Mehrere Hinweise deuten darauf hin, dass CBD die krebshemmende Wirkung von Vincristin verstärkt. Bei Zelllinien von Eierstockkrebs erhöhte CBD die Anreicherung von Vincristin in den Zellen. Zudem verringerte die kombinierte Behandlung mit CBD und Vincristin die Zellvermehrung in Krebszellen bei Hunden auf synergische oder additive Weise. Ein Fallbericht deutet auf einen günstigen Einfluss von CBD auf Patienten mit hochgradigen Gliomen hin, die mit einer Strahlentherapie in Verbindung mit einer Kombination aus Vincristin, Lomustin und Procarabin behandelt wurden. Zwei Patienten, die mit CBD mitbehandelt wurden, zeigten eine Verbesserung ihres Gesundheitszustands, die die Erwartungen übertraf.

Literatur

Buchtova T, Lukac D, Skrott Z, Chroma K, Bartek J, Mistrik M. Drug-Drug Interactions of Cannabidiol with Standard-of-Care Chemotherapeutics. Int J Mol Sci. 2023;24(3):2885.

 

Der 2. Teil dieser Übersicht erscheint in der nächsten grow! Magazin Ausgabe 04-2023. Dort werden dann Wechselwirkungen von CBD mit Anthrazyklinen (Doxorubicin), mit proteotoxischen Stress auslösenden Medikamenten (Bortezomib, Disulfiram) und mit Topoisomerase-Hemmern (Topotecan) vorgestellt und ein Fazit für die Praxis gezogen.

 

Dr. med. Franjo Grotenhermen

Dieser Artikel stammt aus der grow! Ausgabe 03-2023. Falls du diese Ausgabe nachbestellen möchtest, schau doch mal in unseren Shop.

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