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Konsequenzen der Prohibition: China

30.04.2018 11:15
von grow! Magazin
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Politik+Gesellschaft
China Symbolbild

Tod durch Cannabis ist ein Ding der Unmöglichkeit, wie jeder grow!-Leser weiß. Das stimmt auch, jedenfalls, was den Konsum betrifft. Doch obwohl Cannabis im Gegensatz zu diversen anderen Rauschmitteln in der Tat nicht tödlich ist, gibt es dennoch Länder, in welchen einem der Besitz von ein wenig Hanf im wahrsten Sinne den Kopf kosten kann. In unserer Reihe über Staaten, welche die Prohibition besonders gnadenlos umsetzen, haben wir bereits die Lage in Saudi-Arabien, Malaysia und der Republik der Philippinen unter die Lupe genommen. Diesmal werfen wir einen Blick auf die Situation eines Landes, in dem bereits vor mindestens 6.000 Jahren Hanf angebaut wurde: die Volksrepublik China.

Harte Strafen schon für Konsumenten

Obwohl Hanf in China definitiv keine kulturfremde Pflanze ist, zählt auch die Volksrepublik zu den traurigen Anführern der Liste der Länder mit den härtesten Gesetzen in Sachen Rauschmittel. Zwar ist das Land einer der größten Produzenten von Faserhanf, doch drogenpolitisch setzt man hier auf härteste Repression: Wie in anderen Ländern auch, kann es für Freunde des Rauschmittelgenusses in China, je nach den ihnen zur Last gelegten Vergehen, lebensgefährlich werden. Während international die Kritik am Krieg gegen Drogen immer lauter wird, hält man in China nach wie vor eisern an der Praxis härtester Strafverfolgung fest. Wer hier mit größeren Mengen Drogen aufgegriffen wird, muss im schlimmsten Fall mit der Todesstrafe rechnen. Auch Cannabiskonsumenten müssen auf der Hut sein, wenn sie keine (lebens-) lange Haftstrafe riskieren oder mehrere Jahre der „Rehabilitation“ ertragen wollen.

Laut den Angaben verschiedener offizieller Internetseiten der chinesischen Regierung sind die gesetzlich vorgesehenen Strafen für Drogenvergehen äußerst heftig: Schon der bloße Besitz von zum Drogenkonsum bestimmten Utensilien wie Pfeifen wird z. B. laut Informationen der Polizei von Hong Kong mit einer Strafe von 10.000 Hongkong-Dollar (aktuell ca. 1.186 Euro) und drei Jahren Haft geahndet. Wer des Anbaus von Cannabis schuldig befunden wird, kann mit 100.000 HKD (ca. 11.860 Euro) Strafe und satten 15 Jahren Haft rechnen. Bei Besitz jeglicher Drogen ist neben einer Strafe von einer Millionen HKD (ca. 118.600 Euro) auch eine siebenjährige Haftstrafe vorgesehen. Bei einer Verurteilung wegen Herstellung, Schmuggel und Handel erwartet Betroffene neben einer Strafe von 5 Millionen HKD auch eine lebenslange Haftstrafe. Die chinesische Gesetzgebung macht zwischen verschiedenen Drogen offenbar keine großen Unterschiede, die für Konsum, Besitz, Produktion und Handel aufgeführten Strafen gelten einheitlich für eine umfangreiche Liste von Substanzen, auf welcher THC ebenso steht wie Amphetamin, Kokain und Heroin.

Die Polizei der Volksrepublik China ist befugt, einfache Konsumenten in staatliche Rehabilitations-Einrichtungen zu schicken, welche laut der Kritik verschiedener Menschenrechtsorganisation und den Berichten ehemaliger Insassen allerdings mit Rehabilitationsmaßnahmen wenig zu tun haben, sondern vielmehr Arbeitslagern gleichkommen. Auffällig gewordene Konsumenten werden bis zu drei Jahre lang in solchen Einrichtungen „entgiftet“, wer Pech hat, bekommt gleich noch drei weitere Jahre „gesellschaftlicher Rehabilitation“ aufgedrückt. Für bloßen Konsum allein kann man also schon bis zu sechs Jahre von der Bildfläche verschwinden. Das Perfide daran ist, dass die Polizei bei nachgewiesenem Konsum diese Maßnahmen ohne Gerichtsverhandlung anordnen kann. Einmal auffällig gewordene Konsumenten werden zudem in einer Datenbank des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit eingetragen und müssen, auch, wenn sie bereits seit vielen Jahren clean sind, jederzeit mit Repressionen rechnen. Denn überall, wo in der Vergangenheit registrierte (Ex-) Konsumenten mit ihren Personaldaten einchecken, müssen sie damit rechnen, dass sie Besuch von der Polizei bekommen und zur Abgabe einer Urinprobe gezwungen werden. Es finden sich Berichte von Betroffenen, welche noch satte zehn Jahre nach ihrer Registrierung von der Polizei drangsaliert wurden.

Laut einem Anfang letzten Jahres in der New York Times veröffentlichen Artikel berichten chinesische Drogenkonsumenten, dass die Polizei des Landes sehr bürokratisch vorgeht und in erster Linie „Befehlen von oben“ folgt. In einigen Städten erlaube man daher Dealern, ungestört ihren Geschäften nachzugehen – bis die Polizisten eine Quote zu erfüllen hätten. Mancherorts lässt die Polizei offenbar einige Dealer auch gewähren, damit sie diese zu einem späteren Zeitpunkt als Informanten nutzen können, sollte die Weisung ergehen, stärker gegen Drogenkriminalität vorzugehen. Viele Berichte von Aktivisten und Kennern der Drogenpolitik und -szene Chinas wissen von gewissen regionalen Unterschieden in der Härte des Vorgehens der Polizei zu berichten. Während die drakonischen Gesetze in der Hauptstadt Peking offensichtlich sehr konsequent zur Anwendung gebracht werden, gibt es durchaus Städte und Regionen, in welchen es nicht ganz so streng zugeht. Zudem finden sich zahlreiche Stimmen, welche behaupten, dass Touristen in der Regel weniger zu befürchten haben. Angesichts der Gesetzeslage ist es jedoch sicherlich nicht empfehlenswert, es darauf ankommen zu lassen.

Krieg gegen Drogen mit härtesten Mitteln

Obwohl die chinesische Regierung keine offiziellen Zahlen über vollstreckte Todesurteile bekannt gibt, gilt es als sicher, dass das Land mehr Menschen hinrichten lässt als jeder andere Staat der Welt. Laut einem Bericht von Amnesty International vom September 2015 gehen die Zahlen noch immer in die Tausende. Amnesty geht davon aus, dass die Volksrepublik 2014 mehr Menschen hinrichten ließ, als der gesamte Rest der Welt zusammengenommen. Unter den annähernd 50 Delikten, welche mit dem Tod bestraft werden können, sind auch Vergehen, bei denen keine Gewalt verübt wurde – z. B. Drogendelikte. 2015 veröffentlichte das Oberste Volksgericht Chinas ein Schreiben, in welchem die Wichtigkeit der Todesstrafe im Kampf gegen Drogenkriminalität betont wurde. Schwerwiegende Fälle, welche „Drogenbosse, professionelle Drogendealer oder Wiederholungstäter“ involvieren, sollten ebenso wie „Drogenschmuggel, organisierte grenzüberschreitende Drogenkriminalität und bewaffnete oder gewalttätige Drogenkriminalität“ mit der Todesstrafe geahndet werden.

Das harte Vorgehen der chinesischen Autoritäten ist eine Reaktion auf das wachsende Drogenproblem des Landes. Laut einer Statistik des Obersten Volksgerichts von 2012 hatte sich die Anzahl der mit Drogen in Verbindung stehenden Verbrechen mit einer Steigerung von 31.350 auf 69.751 innerhalb von fünf Jahren seit 2006 mehr als verdoppelt. Den Angaben des Gerichts zufolge steigerte sich die Drogenkriminalität von 2007 bis 2011 jährlich um satte 15 Prozent. Dieser Trend hat sich offenbar seither weiter fortgesetzt. Anfang letzten Jahres meldeten Nachrichtenplattformen aus dem asiatischen Raum, dass die chinesischen Behörden Ende 2014 innerhalb von weniger als vier Monaten ganze 52.800 Fälle von Drogenkriminalität verfolgt hätten.

Eines der plastischsten Beispiele für das extrem harte Durchgreifen im Kampf gegen Drogen der chinesischen Polizei ist der Bericht des Journalisten Stephen McDonell. Im August 2014 befand sich der Australier in einem Club in Peking, als dieser von der lokalen Polizei abgeriegelt und jeder der Anwesenden einem spontanen Drogentest unterzogen wurde. McDonell berichtete in der australischen Nachrichtensendung The Drum, wie jeder einzelne der Clubbesucher zu einem Urintest aufgefordert wurde, der bei offener Toilettentür durchgeführt wurde. Ungefähr 10 der unfreiwilligen Probanden bestanden den Test offenbar nicht. Sie wurden abgeführt und mussten für die Dauer der Razzia außerhalb der Bar mit hinter dem Rücken gefesselten Händen und gesenktem Kopf schweigend auf dem Boden verharren. Unter den „Schuldigen“, welche sogleich abtransportiert wurden, war keiner, dem Besitz oder Handel vorgeworfen werden konnte. Laut McDonell ging es lediglich um den Vorwurf, in der Vergangenheit Cannabis konsumiert zu haben.

Ungefähr zur selben Zeit machte eine Meldung die Runde, welche zeigte, dass China auch bei Prominenten keine Ausnahmen macht. Der Sänger und Schauspieler Jaycee Chan wurde wegen Konsum und Besitz von 85 Gramm Cannabis verhaftet und musste verschiedenen Berichten zufolge kurzzeitig darum fürchten, zu sieben Jahren Haft oder im schlimmsten Fall sogar zum Tod verurteilt zu werden. Letztlich zeigte das Gericht allerdings Milde, da der Sohn des bekannten Schauspielers (und Anti-Drogen-Botschafters) Jackie Chan geständig war und Reue zeigte. Er wurde wegen des Besitzes von Cannabis und aufgrund des Umstandes, dass er weiteren Personen Unterschlupf gewährte, um Drogen zu konsumieren, zu auffällig milden sechs Monaten Haft verurteilt. Wer sich allerdings Berichte über die Verhältnisse in chinesischen Haftanstalten anschaut, weiß, dass bereits ein vergleichsweise kurzer Aufenthalt in einer solchen Einrichtung mit Sicherheit keine angenehme Zeit sein dürfte.

Im April des letzten Jahres verkündete das Ministerium für Öffentliche Sicherheit stolz das Ergebnis einer umfangreichen sechsmonatigen Anti-Drogen-Operation: Die chinesische Polizei hatte im Rahmen der Aktion über 133.000 Verhaftungen vorgenommen, über 43 Tonnen illegaler Rauschmittel beschlagnahmt und ganze 606.000 Fälle von Drogenkonsum bearbeitet. Zehntausende von Konsumenten wurden in die staatlichen Rehabilitierungs-Einrichtungen geschickt. Aus offizieller Sicht ein großer Erfolg für den chinesischen Krieg gegen die Drogen.

Die Konsequenz

Und was sind nun die Konsequenzen dieser harschen Handhabung? Wie in sämtlichen Beispielen unserer Reihe über Länder mit besonders krasser Umsetzung des Hanfverbotes, haben auch in der Volksrepublik China die heftigen Maßnahmen und harten Gesetze letztlich natürlich nicht zu einer drogenfreien Gesellschaft geführt. Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins für die Region Asien-Pazifik The Diplomat von letztem Jahr bezweifeln einige Analysten, dass die „Erfolge“ der Polizei von großer Wirkung sind. Zudem kommt dort ein ehemaliger Abhängiger und Drogenberater zu Wort, welcher andeutet, dass die größeren Fische des Drogengeschäfts politisch vernetzt und so vor Strafverfolgung geschützt seien. Medienwirksamer Inszenierung von großen Erfolgen im Kampf gegen Drogen zum Trotz, scheint sich Chinas Drogenproblem weiter zu verschärfen. Offiziell gelten über 2,5 Millionen chinesischer Bürger als drogenabhängig, doch die tatsächliche Zahl regelmäßiger Konsumenten illegaler Substanzen wird ungleich höher geschätzt. Unterschiedliche Quellen gehen von 12 bis 13 Millionen aus. Ganze 60 Prozent der offiziell registrierten Konsumenten nehmen Heroin. Synthetische Drogen wie Crystal Meth, Ketamin und Ecstasy werden ebenfalls immer beliebter.

In den von uns im Rahmen dieser Reihe vorgestellten Ländern werden Drogenkonsumenten, -schmuggler und -händler aufgrund drakonischer Gesetze mit unverhältnismäßig harten Strafen bedacht, bis hin zum Todesurteil oder lebenslanger Haft. Der erhoffte Effekt einer durch Abschreckung zur Abstinenz erpressten, drogenfreien Gesellschaft, hat sich jedoch nicht eingestellt – und wird es wohl sicherlich auch nie. Stattdessen blüht in Ländern mit besonders harter Repression ein lukrativer Schwarzmarkt. Die chinesische Nationale Betäubungsmittel-Kontrollkommission beziffert den jährlichen Umsatz durch Freizeitdrogen auf über sagenhafte 75 Milliarden Euro. China scheint ein Paradebeispiel für die Konsequenzen maximaler Prohibition zu sein: Immer härteres Vorgehen kriminalisiert Konsumenten, die von einem stetig wachsenden Schwarzmarkt versorgt werden. Ein Ende dieser Entwicklung ist leider nicht abzusehen, die Volksrepublik China wird wohl bedauerlicherweise noch lange ein besonders plastisches Beispiel für die Auswirkungen des menschenverachtenden Kampfes gegen Rauschmittel bleiben.

Dieser Artikel stammt aus der grow! Ausgabe 2-2016. Wir veröffentlichen hier aus jeder neuen Ausgabe unseres Print-Magazins vier vollständige Artikel - erst als Leseproben, acht Wochen später als vollständige Texte, gratis für alle. Falls du diese Ausgabe nachbestellen möchtest, schau doch mal in unseren Shop. Alternativ findest du die Ausgabe auch als ePaper zum bequemen Lesen auf deinem Smartphone, PC oder Tablet.

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