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5 Weedmetropolen
Wie man 5 Metropolen in 19 Tagen "abgrast"? Der Journalist und Aktivist Michael Knodt hat sich im Herbst 2016 auf die Reise durch die Vereinigten Staaten begeben, um sich aus erster Hand einen Eindruck des Cannabis-Marktes der Zukunft machen zu können. Aber lest selbst, was er dabei erlebt hat...
Vancouver, British Columbia 12.10.2016
Nach insgesamt zwölf Stunden Flug sind wir endlich da. Der nette Mensch von der Einwanderungsbehörde hat kein Problem, dass ich als Grund für meine Reise eine Einladung zur „International Cannabusiness Conference“ (ICBC) in Vancouver angebe. Mein Kameramann wird dann aber doch gefilzt. Ich muss mich für meine legal importierten Medizinal-Hanfblüten, für die ich sogar ein gültiges Mitnahme-Dokument besitze, zum Glück nicht rechtfertigen, die Kamera ist 100% sauber.
Nach dem Einchecken ins Hotel müssen wir nicht lange nach der ersten „Medical Dispensary“ suchen. Als wir unsere deutsche Ausnahmegenehmigung vorzeigen wollen, sind wir überrascht: „Wir sind recreational“, heißt es hier. Obwohl Kanada noch gar nicht legalisiert hat, können wir ganz Coffeshop-like einfach so ein paar Gramm „Romulan“ kaufen. Gleich nebenan ist ein 420-Cafe, in dem man zwar nix kaufen, aber dafür kiffen kann. Für fünf Euro gibt es eine Bong zu leihen, Vapos sind umsonst und das Mischen von Tabak und Gras ist verboten. Also passen wir uns den einheimischen Gepflogenheiten an und husten nach der Pur-Bong um die Wette. Das „Romulan“ ist Indica-lastig und hat diesen speziellen „BC“ (British Columbia)-Geschmack, der uns im Laufe der Tour noch öfter begegnen sollte.
Vancouver, 13.10.
Heute ist mein großer Tag. Ich darf auf dem Podium Fragen zu medizinischem Cannabis in Deutschland beantworten. Zum Glück blamiere ich mich trotz meiner Nervosität kaum und werde auch mit Akzent von den meisten verstanden. Danach lerne ich eine Menge über das Cannabusiness in den USA und Kanada und komme mir zum ersten Mal im Leben aufgrund meiner Passion nicht wie ein Randgruppen-Vertreter vor. Der Kongress unterscheidet sich „äußerlich“ kaum von anderen Business-Meetings und ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich das toll finden oder lieber den alten Zeiten nachtrauern soll. Ich entscheide mich für ersteres und genieße die neue Akzeptanz von den hier einst als „Potheads“ verschrienen Outsidern in vollen Zügen.
Nach meinem eigenen Vortrag lerne ich selbst noch eine Menge über Cannabis, um den Abend gemütlich in Marc Emerys Vapo Lounge ausklingen zu lassen. Ein Cannabis-Kongress fehlt uns hierzulande definitiv. Messen sind schön und gut, aber der Austausch von Wissen funktioniert im Rahmen eines Kongresses einfach besser. Am nächsten Morgen geht es per Greyhound und ganz ohne Gras weiter über die US-Grenze nach Seattle/Washington State.
Seattle, Washington State, 14.10.
Nach einer Buspanne und dreistündiger Verspätung schaffen wir es gerade noch in den ersten Shop. Im „Dockside“ werden wir nach Vorlage des Passes freundlich empfangen und ob der Vielfalt von Blüten, Hasch, Extrakten und Edibles fast erschlagen. Ich entscheide mich für das „Bufallo Bill“, einen 70/30-Indica-Hybriden. Leider darf man in Washington State nicht an den Buds schnuppern, die Shops dürfen sie nur abgepackt anbieten, selbst Gläser mit Geruchsproben für die einzelnen Strains sind laut Gesetz nicht zulässig. Beim Einchecken ins Hotel bemerke ich ein Schild, auf dem steht, dass ich zwar Kippen im Zimmer rauchen darf, Gras jedoch nicht. Draußen darf man laut Gesetz auch nicht kiffen, im Auto schon gar nicht, also scheiße ich aufs Verbot des Hoteliers und stopfe meine Bong einfach im Zimmer. Das tun fast alle Hotelgäste - bemerke ich dann später. Weil in Seattle gerade ein Sturmtief herrscht, entscheiden wir uns, schnell unser Wohnmobil bei der Autovermietung abzuholen und Richtung Oregon, der nächsten Station unserer cannafinen Tour, durchzustarten. Auf der langen Fahrt legen wir nur einen kurzen Halt in Portland/Oregon ein, um uns mit Weed zu versorgen. Hier dürfen ehemalige „Dispensaries“ jetzt auch „recreational“ verkaufen und die Kunden auch riechen lassen. Wir entscheiden uns für ein „Special Girl Scout Cookie“, dessen Buds tief lila sind und extrem narkotisch riechen. Genau wie in Washington liegt der Grammpreis im Schnitt bei 15 Euro. Wer mehr kauft, bekommt Rabatt. Für 50 Euro netto gibt es so zwischen 3,5 und 4,5 Gramm. In Oregon kommen dazu nochmal 10 bis 20 Prozent Steuern, der jeweilige Satz hängt von der Gemeinde ab, die die Lizenz erteilt.
Ashland/Oregon, 17.10.
Wir treffen uns mit Alex Rogers, Hanfaktivist und Gründer des ICBC, der in Ashland eine Cannabis-Klinik betreibt. Dr. Hoffmann, der leitende Arzt der Klinik, berichtet uns von der Opioid-Epidemie, die die ganzen USA seit Jahren erfasst hat. Er halte Cannabis für das weitaus bessere Schmerzmittel und habe deshalb auch kein Problem, es statt herkömmlicher Schmerzmittel zu verschreiben. Anders als bei Opioiden leide keiner seiner Patienten beim Absetzen an heftigen Entzugserscheinungen oder sei gar an einer Überdosis gestorben.
Außer der Klinik gibt es in Ashland auch noch herrliche Dispensaries, in denen wir „Super Lemon Haze“ und „Tangerine Dream“ probieren können. Beide Strains waren ob des fast schon kalifornischen Klimas in Süd-Oregon outdoor angebaut und sind angesichts des THC-Gehalts von 21 Prozent allerdings kaum von dem Indoor-Weed zu unterscheiden, das wir weiter nördlich bekommen haben. Nachdem wir mit Alex noch ein wenig über die Details seiner Cannabis-Konferenz in Berlin (11. bis 12. April 2016) gequatscht haben, geht es weiter in die kalifornischen Berge, genauer gesagt in den Dunstkreis des „Emerald Triangles“, wo Gras schon seit Jahren die Haupteinnahmequelle heimischer Bauern darstellt.
Irgendwo in Kalifornien, 21.10.
Nachdem wir in der ersten Dispensary abgewiesen wurden, hoffen wir auf einen privaten Tipp eines Freundes. Zur Zeit unseres Besuches war lediglich medizinisches Cannabis in Kalifornien legal, seit dem 9. November 2016 gilt das auch für Cannabis zu Genusszwecken. Doch die „Medical Card“ gibt es nur für Einheimische, wodurch wir zum ersten Mal seit über tausend Meilen fast ohne Medizin da stehen. Unser „Minnie Winnie“ erklimmt nach dem erfolglosen Versuch Dutzende von Serpentinen und als der Weg schon fast nicht mehr befahrbar ist, tut sich vor unseren Augen eine Lichtung mit einem Weinberg auf. Als wir ein entferntes „Yes Maaan“ wahrnehmen, wissen wir, dass wir richtig sind. Wir werden von Eddie-I, einem begnadeten Grower und Breeder empfangen. Kurz vor uns waren die „Strainhunters“ noch hier, um sich Eddies neueste Kreationen anzusehen. Eddie-I darf als Patient 30 Pflanzen anbauen und die überschüssige Ernte an Hanfapotheken abgeben. In diesem Jahr hat er eine bunte Mischung aus „Girl Scout Cookie“, „Gorilla Glue“ und „Lavender“-Pflanzen in 60-Liter-Töpfe gepflanzt, die just zur Zeit unseres Besuchs erntereif sind. Eine Hälfte hängt bereits zum Trocknen auf dem Dachboden, die andere wartet zwischen den bereits abgeernteten Weinreben auf Eddie mit der Schere. Unser Versorgungsengpass ist natürlich passé – Cannabispatienten helfen sich gegenseitig, wenn Notstand herrscht – Gesetz hin oder her. Nach zwei sehr angenehm chilligen Tagen mit bestem Bio-Weed geht die Reise weiter Richtung Süden.
Oakland, Kalifornien 23.10.
Hier soll es dank eines lokalen Volksentscheids namens „Measure Z“ Cannabis Social Clubs geben. Unsere lokale Kontaktperson lädt uns in einen solchen Club ein und wir bekommen im Handumdrehen drei Pässe. Das Gras hier ist steuerfrei und um einiges günstiger als in den Etablissements, in denen wir bislang verkehrt haben. Wir entschieden uns für das „Lemon O.G“, vier Gramm für 40 Euro. Anders als in allen anderen Läden dürfen wir hier sogar konsumieren und chillen, das Weed ist extrem gut und wir sind froh, dass wir wenigstens einmal in Kalifornien ganz legal einkaufen und sogar kiffen konnten.
Eine halbe Stunde später treffen wir uns mit „Firefly“, Cannabis-Aktivistin aus San Francisco. Firefly erzählt uns, dass mit der zu erwartenden Legalisierung im November 2016 viele Produzenten und Hersteller auf den Markt drängen werden, die sich bislang eher bedeckt gegeben haben - so wie sie selbst. Firefly drückt mir zum Abschied noch eine Kartusche mir „Sky“-Extrakt in die Hand, die ich einfach auf das Unterteil meiner E-Zigarette stecke. Wir bedanken uns artig und brechen zum High-Light unserer Tour auf. Tommy Chong hat uns in seine Villa eingeladen, weil er die „Germanz“ in Vancouver so sympathisch fand. Kurz hinter der Golden-Gate-Brücke merke ich, dass der E-Joint nicht nur lecker und fast geruchsneutral ist, sondern das THC-Liquid auch noch ziemlich heftig törnt. In einer rauchfreien Zukunft ist das sicher die erste Option für Kiffer, die auf heftigen Qualm nicht verzichten können oder wollen.
Beverly Hills, 25.10.
Ich sitze nach zwölf Stunden Autofahrt Tommy Chong gegenüber und kann es immer noch nicht fassen. Vor lauter Aufregung vergesse ich sogar, einen zu bauen oder Tommy auf einen Zug am Vapo einzuladen. Wir reden kurz über Tommys Strains, die es seit einiger Zeit in Kaliforniens und Colorados Läden zu kaufen gibt. Doch schnell schweifen wir ab und die lebende Legende erzählt über seine Zeit als Musiker in Vancouver, seine Berlin-Besuche zu Zeiten der Mauer und natürlich auch über seine Krankheit, die er mit Cannabis und herkömmlichen Krebsmitteln besiegt hat. Tommy Chong ist einer der coolsten und empathischsten Typen, mit denen ich bislang reden durfte. Ganz großes Kino, und auch wenn die Zeiten von „Cheech und Chong“ längst vorbei sind, hat der alte Herr noch eine Menge Neues zu berichten. Das ganze Interview gibt es übrigens bald auf meinem neuen Youtube-Format „DerMicha“. Lasst euch überraschen. (Anm. d. Red.: Das Video ist mittlerweile online).
Nach dem Interview brauchen wir schon wieder neues Gras. Da es in Los Angeles keine Clubs gibt und unsere Ausnahmegenehmigungen auch hier nicht anerkannt werden, beschließen wir, über Nacht nach Las Vegas zu brettern. Dort, so ist uns zu Ohren gekommen, werden unsere staatlichen Dokumente anerkannt.
Las Vegas, 27.10.
Nach durchfahrener Nacht kommen wir gerade rechtzeitig in der Zocker-Metropole an. Die „Medical Dispensary“ mit dem vielversprechenden Namen „Essence“ öffnet um 10 Uhr morgens ihre Pforten und erkennt unsere deutschen „Medical Cards“ ohne Umschweife an. Las Vegas möchte Cannabis-Patienten aus aller Welt willkommen heißen, erklärt mir Managerin Anne. Als sie uns den Laden zeigt, kommen wir aus dem Staunen kaum heraus. Outdoor, Indoor, Sativa, Indica, Hybride, Hasch und alle Arten von Extrakten, Waxen und Ölen, die das Herz begehrt. Die „Essence“ in Las Vegas hat die bislang beste Auswahl des Trips, die Preise sind moderat. Vor allen Dingen bei den Extrakten ist so manch Schnäppchen für 40 bis 50 Dollar/Gramm drin. Wir entscheiden uns neben einem „Super Jack“ (100 % Sativa) und einem „SinIndica“ (abgeleitet von Las Vegas, der „Sin City“) für ein „Lemon-O.G.“-CO2-Extrakt und ein „Gorilla Glue“-Wax von Moxie. Moxie-Extrakte sind die derzeit begehrtesten (und teuersten) Extrakte, die man legal erwerben kann. Leider ist auch in Las Vegas der Konsum für Touristen problematisch, also bleibt uns zum Verkosten der Blüten nur unser eigentlich rauchfreies Wohnmobil. Das „Super Jack“ ist endlich mal eine Sativa, wie wir sie aus Deutschland oder den Niederlanden kennen. Extrem lang blühende Sativa-Strains waren auf der ganzen Reise eher eine Seltenheit, in den meisten Shops dominieren Hybride das Angebot. „Gorilla Glue“ hingegen ist eine typisch narkotische Westcoast-Sorte, deren Grundaroma man in vielen kommerziellen Sorten die Westküste entlang findet. Fette Erträge, starkes High und ein narkotisches Aroma zeichnen diesen kalifornischen Strain aus.
In drei Tagen geht mein Flieger von Denver nach Berlin. Deshalb wird es nach nur 24 Stunden in Las Vegas Zeit, in einer Nacht- und Nebel-Aktion durch Utah nach Denver aufzubrechen, um wenigstens noch einen Tag in der Weed-Metropole der USA verbringen zu können.
Denver 28.10.
Als wir um 18.30 endlich im Kiffer(!)-Hotel eingecheckt haben, sind fast alle Shops schon dicht. Wir müssen ein paar Kilometer fahren und warten mit gefühlt 50 Touristen vor einem Laden mit grünem Kreuz. Mein Handy sagt, dass Freitagabend nur noch drei oder vier Läden in Denver offen sind, was die lange Schlange erklärt. Als wir endlich dran sind, erweist sich die Budtenderin als unfähig, Cannabis-Patienten wirklich fachgerecht zu beraten. Dafür dürfen wir hier, genau wie in Oregon und Las Vegas, vorm Kauf an den Buds schnuppern und ein Sample unter einem Lupenglas betrachten. Wir entscheiden und für „Chong‘s Choice“, je 3,5 Gramm Sativa und 3,5 Gramm Indica für 80 Euro. Nicht etwa, weil er es uns persönlich ans Herz gelegt hat, sondern weil es am besten riecht. Später im Hotelzimmer sollte sich die Wahl bestätigen, die Sativa-Variante war eines der besten Gräser aller 67 Sorten, die wir probieren durften. Kein Kratzen, volles Aroma bei klarem High.
Am letzten Tag wollen wir noch nach Vapo Lounges suchen. Wir haben gehört, dass man in Denver auch halb-legal in Kneipen kiffen könne. Die sind zwar schwer zu finden, dafür aber umso schöner. An der Theke werden Dabs für fünf Dollar pro Hit angeboten und die Sofas sind gemütliche Chillzonen, an denen man tolle Kontakte mit einheimischen Cannasseuren und Growern haben kann. Unsere Moxie-Extrakte aus Las Vegas waren selbst unter denen ein Hingucker und deshalb innerhalb weniger Stunden „aufgedabbt“.
Denver, 30.10.
Vor dem langen Flug gönne ich mir noch 200 mg THC in Form von fünf Edibles aus Vegas. Nur dort konnte ich aufgrund meines Patientenstatus‘ halbwegs potente Süßigkeiten kaufen. Dort, wo ich als normaler Konsument eingekauft habe, beträgt die Höchstmenge pro Konsum- und Verkaufseinheit 10 mg THC. Lediglich Patienten dürfen Edibles mit mehr als 10 mg THC erstehen. Während der Zucker ins Blut geht, mache ich mir ein paar Gedanken über die vergangenen zweieinhalb Wochen:
Ich habe gesehen, dass viel positive Energie frei wird, wenn Cannabis ein fast normales und vor allen Dingen legales Gut wird. Arbeitsplätze entstehen, die medizinische Forschung findet endlich statt und der ganze Druck, der den Kessel über Jahrzehnte unter Druck gehalten hat, weicht von den Menschen, um zur treibenden Kraft für einen gesellschaftlichen Fortschritt zu werden. Allerdings entstehen auch Begehrlichkeiten finanzieller Natur, die genau wie Jugendschutz und Prävention reguliert werden müssen. Am besten hat es da Nevada gemacht, wo Cannabis eine Woche nach meiner Abreise legal wurde: „Regulate Cannabis like Alcohol“ lautete das Motto der dortigen Abstimmung am 9. November 2016. Da ist viel dran, denn wenn man den Menschen das Kaufen erlaubt, muss man auch den gemeinschaftlichen Konsum an Orten gestatten, an denen Konsumierende ausdrücklich unter sich bleiben. In Denver ist man schon fast so weit, dort wurde ebenso am 9.11.2016 mit „Initiavie 300“ ein lokales Volksbegehren, das genau das fordert, mehrheitlich angenommen. Jetzt muss Denver seinen Bürgern und Besuchenden die Möglichkeit geben, nach dem Kauf auch gemeinsam und legal zu konsumieren. Alaska hat angekündigt, im Rahmen der Regulierung auch das Kiffen in gemütlicher Runde an dafür vorgesehenen Orten wie Cannabis-Cafés von Anfang an zuzulassen. Denn es ist schon komisch, wenn man das Gras legal kaufen kann, beim Rauchen aber vorsichtiger als in Berlin sein muss.
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