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Thailand
Koh Phayam und Koh Chang: Same Same, but different...
Eine Orgie in Blau. So ist mein erster Gedanke, als das Schnellboot von Ranong den Mangroven-Dschungel, der das thailändische Festland säumt, verlässt und mit 60 Sachen in die offene See, die sogenannte andamanische, sticht. Die Insel Koh Phayam ist das erste Ziel, etwa zehn Kilometer vor der Küste gelegen und mit dem Speedboat in einer guten halben Stunde zu erreichen. Zur blauen Orgie gesellt sich schnell ein saftiges Grün, als die Insel sich nähert. Wow! Welcher Farben-Flash! Dazu laut Wetter-App gefühlte 48 Grad … nun, so stellt man sich Thailand ja auch vor.
Ich war schon viele Jahre nicht mehr da und vieles, was ich seitdem zu hören und lesen bekam, ließ mich Schlimmes befürchten. Aber ich sollte glücklicherweise eines Besseren belehrt werden …
Bei der Ankunft an einem neuen Ort steht die Unterkunftssuche normalerweise im Zentrum des primären Interesses, sofern man das nicht, wie heutzutage so üblich, bereits vorher online erledigt hat.
Normalerweise … Bei mir nicht. Ich muss nämlich immer erst was zu Rauchen organisieren. Wie praktisch, dass sich auf Koh Phayam mit der Wahl der Unterkunft zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen lassen. Man hat da nämlich die Wahl zwischen diversen Etablissements mit so wohlklingenden Namen wie „Rasta Garden“, „Rasta House“, „Flower Power“ und „Hippie Hut“ … Ich entschied mich für das Erstgenannte. Denn wo Rasta draufsteht, sollte ja wenigstens Ganja drin sein. Und genauso war es. Ein Fingerschnippen vom Chef, eine kleine Mopedfahrt vom Barkeeper und zehn Minuten später waren alle Probleme einer Neuankunft gelöst. Rauchen und Schlafen. Welcome to Thailand!
„Sabay, sabay“, sagen die Thais, wenn sie sich wohlfühlen. Ich tat es auf Koh Phayam somit augenblicklich und vergessen waren fast ein Vierteljahrhundert Thailand-Abstinenz. Irgendwie herrscht hier an den Ufern der Indischen Ozeans ein Feeling wie dereinst in den 80er Jahren auf Koh Phangan. Urige Beach-Bars, freundliche Restaurants mit der ortsüblichen Traveller-Küche, lockere Umgangsformen allenthalben. Leute aller Altersstufen und aus aller Herren Länder haben sich hier eingefunden. Viele Deutschsprachige und Franzosen, inzwischen aber auch „Exoten“ wie Russen oder andere Osteuropäer. Neben der auffälligen und allumfassenden Digitalisierung des Reisens ein weiterer kleiner Unterschied zu früher. Und natürlich Kiffer an allen Ecken und Enden.
Es ist kein großes Insider-Geheimnis, dass hier massiv gegen das thailändische Anti-Drogen-Gesetz verstoßen wird, nachdem ja bereits der nachgewiesene Konsum eine Straftat darstellt. Man kann im Prinzip überall rauchen und es wird de facto überall geraucht. Klar, es warnt ein übergroßes Schild zwischen Polizeistation und Fußballplatz vor dem Gebrauch von Drogen (es kursieren neben dem allgegenwärtigen Ganja vor allem Yaba und Ice, beides Meth). Hohe Strafen werden da für jeden gut sichtbar angedroht. Dann hat es sich aber auch schon. Denn auch klar bzw. noch viel klarer: Dreiviertel bis vier Fünftel aller Touristen rauchen zumindest Gras und – erst recht klar – die drei Herren, die abwechselnd in besagter Polizeistation beim Bolzplatz sitzen, profitieren natürlich als allererste und zwar in profaner monetärer Form vom hiesigen Drogenhandel. Sei es, dass sie Schweigegelder von den ganzen mehr oder weniger offen dealenden Rastabars und Hippiekneipen kassieren oder dass sie mit dem Inselgroßdealer kooperieren. Ich weiß es nicht genau, aber zumindest kenne ich die Edel-Bungalow-Anlage an exponierter Stelle des besagten Herren. Die hat er nicht mit ein paar Eimern Cashew-Nüssen und Kautschuk (den landwirtschaftlichen Produkten der Insel) bezahlt. Kurzum, die Folge ist: Man lässt die Touristen brav weiter das Gesetz brechen, die Thais gleich mit, und alle liefern brav ihre Euros, Dollars oder Bahts ab. Die einen haben nen tollen Urlaub und kommen gerne wieder, die anderen verdienen ohne Arbeit ein Vielfaches des normalen Inselstandards. Eine hundertprozentige Win-Win-Situation.
Und so schuf die allgemeine Korruption für viele Jahre ein völlig unbeschwertes Raucherdasein, bis dann eine der ortsansässigen Rasta-Kneipen, wie Anfang 2018 geschehen, auf die grandiose Idee kam, mitten in diesen stillschweigend tolerierten Kifferfrieden hinein aus purer Geldgier zum nahenden Saisonende eine „Legalization Party“ am größten Strand von Koh Phayam, dem „Ao Yai“, zu veranstalten. Mit Live-Musik, Schwof und allem Drum und Dran. Und natürlich Gras und Speed in rauen Mengen. Clevererweise wurde das Event dann auch noch wochenlang groß auf Plakaten und in den sozialen Medien angekündigt. Marketing ist halt auch in Thailand wichtig, das war dann aber doch etwas zu viel des Guten und rief die aufgeschreckte (oder auch nur auf sowas wartende) Drogenfahndung vom Festland auf den Plan, die dann pünktlich zur ersten Legalisierungs-Party die erste Drogenrazzia der Insel-Historie veranstaltete. Der „Erfolg“ war aber eher von bescheidener Natur. Immerhin konnte man ca. 20 „Farangs“ (Thai für „westliche Ausländer“) und auch ein paar Thais wegen Besitzes kleiner Mengen Ganja verhaften. Die Delinquenten wurden dann zur Polizei-Dienststelle nach Ranong verfrachtet, wo ein Drogentest mit jedem durchgeführt wurde. Überraschenderweise positiv bei allen ...
Schlimm, schlimm, was da auf Koh Phayam los ist. Thailandweit wurde über diese Razzia berichtet. Insbesondere die englischsprachigen Gazetten für in Thailand lebende Ausländer machten eine dicke Sache daraus. Letztendlich konnten die Ausländer sich dann für tausend Dollar pro Kopf wegen nachgewiesenen Drogenkonsums freikaufen, und auch die verhafteten Thais wurden nach ein paar Tagen wieder auf Koh Phayam gesichtet. Sicherlich um viele Bahts ärmer, aber immerhin als freie Menschen. In Anbetracht der Zustände anderenorts, wie z.B. in Koh Phangan, wo derartige Großevents mit Zigtausenden Besuchern an der Tagesordnung sind, bin ich beinahe geneigt, diesen zeitlich und räumlich doch eher bescheidenen Einsatz bei der „Legalization Party 2018“ als heilende Abschreckung zu betrachten. Wehret den Anfängen! Solange keine Massenveranstaltungen stattfinden, ist alles gut. Wir sind halt in Thailand, einer lupenreinen Militär- und Milliardärsdiktatur, wo die Drogengesetze übel sind und auch die Moralvorstellungen eben andere, wie bei uns. Laute Techno-Musik, womöglich barbusige zugedröhnte Tussis, die orgiastisch über den Strand hüpfen, das sind halt so Dinge, die so überhaupt nicht in das thailändische Bild von Anstand und Sitte passen. Es ist im Grunde sowieso ein kleines Wunder, wie locker und tolerant auf manchen Inseln mit dem Verhalten mancher Touristen umgegangen wird.
In Koh Phayam gibt es bislang noch kaum derartige Exzesse. Und das ist gut so. Also besser Ball flach halten und zum fett Party machen auf Inseln gehen, wo es eh nicht mehr drauf ankommt. Razzien können halt auch nur da stattfinden, wo sich viele Täter/Opfer/Idioten auf engem begrenztem Orte befinden und man schnell zugreifen kann. Das ist das polizeiliche Einmaleins in diesem Scheißspiel. Alle anderen Drogenfahndungsmethoden ergeben auf einer Insel wie Koh Phayam keinen rechten Sinn. Thai-Spitzel werden von den Einheimischen erkannt und gebrandmarkt. Das ist schon mal völlig aussichtslos. Sollten die uniformierten Hyänen tagsüber am Strand anrücken, um Ganjawitterung aufzunehmen, sieht man das meilenweit und jeder hat genügend Zeit, gemütlich fertigzurauchen und dann alle anderen belastenden Dinge im Sand verschwinden zu lassen. (Kleiner Tipp: die Stelle gut markieren!)
Und in die Bungalow-Anlagen selbst kann die Polizei nicht einfach eindringen und alles durchsuchen. In die von ehrenhaften Touristen gemieteten Hütten schon gleich gar nicht. Selbst in Thailand brauchen sie dafür einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss, der wegen des bloßen Verdachts auf Drogenkonsum dann doch nicht ausgestellt wird. Da will selbst die Militärdiktatur des Landes dann offenbar doch noch den zarten Schein eines Rechtsstaats wahren. Abgesehen davon sind Hotelbesitzer reiche und deshalb angesehene Leute und die Betreiber der klassischen kleinen Bungalow-Anlagen am Strand alles ehrenwerte, alteingesessene Familien. Auch mit denen verpisst man es sich nicht so gerne. Man kennt sich ja. Ist verwandt, verschwägert und seit Generationen befreundet. Will man da den sozialen Frieden und Freundschaften riskieren, weil die Touristen gerne Gras rauchen und ansonsten friedlich sind? Hand aufs Herz: Nein, will man natürlich nicht. Was bleibt, sind eben dann diese Legalisierungs-, Vollmond- oder was auch immer für Parties, wo sich die Schafe dicht an dicht freiwillig auf die Schlachtbank begeben. Määh, määh. Wer es mal live erleben möchte, gehe zur Full-Moon-Party nach Koh Phangan. Termine worldwide im Internet.
Aber selbst bei solchen Veranstaltungen mit Razziagarantie können die uniformierten Blutsauger nicht gleichzeitig mehr Leute kontrollieren, als dass sie selber Personal dabei haben - sprich, auch in so einer Situation ist die Chance gut, dass man sich der Beweismittel diskret im Sand entledigen kann. Derartiges Terrain hat zweifelsfrei seine Vorteile. Auf Koh Phayam waren es bei besagter Veranstaltung etwa 500 Partygäste und 20 Beamte, auf Koh Phangan sind es vielleicht 5.000 Besucher und es rücken 200 Uniformierte an. Same, same ...
Fazit: Wer solche Veranstaltungen meidet oder ohne Stoff hingeht, wird auf Inseln wie Koh Phayam wegen des Genusses von Marijuana kaum jemals in den Genuss eines polizeilichen Übergriffs kommen. Zumindest bis jetzt noch nicht ...
So, und nun ein paar Worte zum Objekt der Begierde selbst, in Thailand der Einfachheit halber “Ganja“ genannt. Die einst so legendären Thai-Sticks sind nicht nur rar geworden, sie sind meines Erachtens ausgestorben. In Thailand findet kein nennenswerter Gras-Anbau mehr statt, zumindest erreicht nichts davon den Reisenden auf einer Ferieninsel. Erstaunlicherweise ist vor Kurzem der Medizinalhanf legalisiert worden und soll im wirtschaftlich schwachen Nordosten des Landes künftig angebaut werden. „Ein Geschenk für die Bevölkerung!“, jubelte die Militärjunta auf der Titelseite der Bangkok Post. „Na immerhin!“, ist man geneigt zu meinen, aber wenn man hinter die Kulissen schaut, stecken halt dann auch ein paar fette Generäle dahinter, die eine neue Geldquelle entdeckt haben, während die Bauern dann für zwei Euro am Tag die Felder bestellen und das Gras ernten, welches sie dann für viel Geld an so bescheuerte Länder wie Deutschland verkaufen, die nicht in der Lage sind, ihr medizinisches Weed selber herzustellen. Die Legalisierung des privaten Konsums wäre ein Geschenk für die Thais, die (fast) genauso gerne kiffen wie wir und unter der Prohibition genauso leiden, oder eher noch mehr. Aber die Einnahmen aus alter Quelle, dem illegalen Cannabishandel (das gilt für alle anderen illegalen Drogen auch), sprudeln natürlich viel ergiebiger, wenn sie verboten bleiben. Die goldene Regel im Goldenen Dreieck. Und so floriert wie eh und je die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit den korrupten Waffenbrüdern von Birma (Myanmar) und Laos.
Wie auch immer, der Stoff hat sich jedenfalls in all den vielen Jahren meiner Abwesenheit in keiner Weise verändert. Weder in Form, Aussehen, Geschmack, noch in der Wirkung. Er kommt nach wie vor in gepressten, mal mehr, mal weniger fermentierten Ziegeln auf den Markt. Machen wir uns nichts vor, die Qualität erreicht nicht das, was wir mittlerweile in Europa so gewöhnt sind. Das ist tatsächlich noch „normales“, „ehrliches“ südostasiatisches, immerhin samenarmes Weed, sehr sativalastig mit vielleicht fünf Prozent THC. Kein Kush, kein Skunk, kein Super-Hyper-Weed, aber meines Erachtens völlig ausreichend. Bei den hier herrschenden klimatischen Bedingungen allemal.
Ach ja, und es ist im Kleinhandel relativ teuer. Der Standard-Touristenpreis beim Einkauf in einer einschlägigen Bar liegt bei 1.000 Baht (etwa 30 Euro) für die halbe Unze (ca. 14 Gramm), also ordentlichen zwei Euronen pro Gramm. Was für eine Gewinnspanne! Der Chefdealer auf der Nachbar-Insel Koh Chang bot mir – als Tourist – das Kilo für 10.000 Baht, also 300 Euro, an. Aber was soll's. Man ist im Urlaub und das Wichtigste ist der einfache Zugang zum Verteilungssystem und die sichere Erwerbsmöglichkeit ohne jeglichen Bullen- oder Dealer-Huzzle. So herrscht auf Koh Phayam zur Zeit noch eine gemütliche Lässigkeit, und ein Hauch und vor allem der Geruch von Jamaika schwebt noch friedlich über die Insel. Sehr angenehm, das Ganze. Sabay, sabay!
Aber leider kann auch hier der thaitypische Lauf der Dinge nicht aufgehalten werden. Die derzeit herrschende rege Bautätigkeit, was Straßen und neue „Tourist Police“-Stationen betrifft (mindestens drei, an jedem Beach eine), lässt jedenfalls nichts Gutes erahnen. Man wappnet sich bereits für die großartige Zukunft. Der Kohphanganisierung sozusagen. Und deshalb habe ich auch kein schlechtes Gewissen, eine ausdrückliche Reiseempfehlung für Koh Phayam auszusprechen. Schaut's euch an, solange es noch Spaß macht. Koh Phayam ist noch ein Stück thailändisches Inselfeeling der mittleren Gründerjahre, ohne Sex-Gewerbe, ohne Disko und ohne Ballermann-Feeling. Nicht einmal Plastikmüll schwimmt im Meer. Zumindest nicht im Winter, wenn das Wasser ruhig ist. Und das bisschen Müll, was am Strand liegen bleibt, sammelt eine von auf Phayam lebenden Norwegern organisierte Gruppe engagierter Traveller einmal täglich ein. Vorbildlich.
Zwei, drei Wochen gemütlich Urlaub auf Koh Phayam, das geht locker, aber dann kennt man alle Straßen, Strände und Kneipen und alle Pappenheimer sowieso. Zeit, den bekifften und vollgefressenen Arsch wieder ein bisschen in Bewegung zu setzen. Wie praktisch, dass man dazu gar keine weiten Wege zurücklegen muss. Denn nach einer gemütlichen halbstündigen Bootsfahrt kann man völlig einfach Koh Phayams Schwester-Insel, Koh Chang, erreichen. Übersetzt: die „Elefanten-Insel“, aber nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Eiland an Thailands Ostküste vor Kambodscha. Ko Chang II also. Auf den ersten Blick sind die Berge der Insel etwas höher, alles ist ein bisschen mehr bewaldet, aber sonst? „Same, same …“, sagt man hier gerne, um dann immer ein verschmitztes „… but different“ hinzuzufügen. Und diese im touristischen Thailand entstandene, inzwischen weltweit benutzte Traveller-Phrase sollte sich im Falle von Koh Chang wieder einmal voll bestätigen.
Während auf Koh Phayam am Pier circa 50 Moped-Taxifahrer auf die ca. 50 Touristen, die aus dem Boot von Ranong steigen, einstürzen und ihre Dienste anbieten, erwartet die ein, zwei, sich nach Koh Chang verirrenden Besucher eine fette, gelangweilte und überaus unfreundliche Taxi-Lady, die einen dann gnädigerweise und völlig überteuert an den einzigen für Urlauber erschlossenen Strand kutschiert. Eindeutig, die Zeitreise geht auf Koh Chang nochmals 20, 30 Jahre zurück. Eine einzige Straße ist gerade fertig betoniert, eine zentrale Stromversorgung soll erst in drei, vier Jahren kommen, und die Anlagen am Strand sind wirklich noch in rudimentärem Zustand. Wie in den 80er Jahren oder früher. Schöne große Holzbungalows auf Stelzen und unter Palmen direkt am Strand, Matratze, Moskitonetz darüber, eigenes Badezimmer und nur halb so teuer wie auf Phayam. Aber halt auch nur vier Stunden Solarstrom am Abend, kein Ventilator und schon gleich nicht immer WLAN. Womöglich die härteste Strafe heutzutage …
Ich möchte ja nicht von einer Robinson-Insel sprechen, aber rein optisch kommt die Bucht vom „Long Beach“ dem Klischee von Daniel Defoes legendärem Roman doch recht nahe. Aber natürlich ist alles auch dort bestens organisiert, ganz thailandtypisch. Für das leibliche und seelische Wohl der zahlenden Gäste perfekt gesorgt, und so findet sich auf Koh Chang überwiegend diese Sorte Urlauber ein, die kein Mietmoped und Dutzende Restaurants und Pizzas brauchen, sondern die mit sich und ihrer kleinen Robinson-Welt vollauf zufrieden sind. Und das sind vor allem die Alt- und Uralt-Hippies, die tatsächlich Thailand noch aus unverbrauchteren Zeiten kennen, und die hier eines der letzten Refugien des Landes gefunden haben. Denn die Inseln werden langsam knapp in Thailand. Bald hamwer'se durch, könnte man sagen. Am Long Beach von Koh Chang jedenfalls chillen die echten Senioren und Thailand-Experten unter uns. Mit meinen 55 Jahren fühlte ich mich da noch durchaus als Jungspund, denn der Altersdurchschnitt dürfte etwa 65 Jahre betragen. Die Hippies werden halt alt. Wer 1968 20 war, ist heute 70.
Aber, und das ist das Schöne, es sind halt reihum liebe, nette, freundliche Pärchen, viele esoterisch angehaucht, manche völlig davon durchdrungen, die da auf ihrem verschlafenen Eiland eine überaus beschauliche Überwinterung durchführen. Und - wie schön - alle quarzen sie natürlich. Warum sollte man es auch ausgerechnet mit Erreichen des Renteneintrittsalters einstellen? Jetzt, wo man Zeit hat. So verbringen viele hier, und nur hier, die visatechnisch maximal zulässige Zeit von vier Monaten. Sie freuen sich, wenn um 18.30 Uhr endlich der Strom angeht, sind happy, wenn der Fischer einen frischen Barrakuda vorbeibringt, der dann abends im gemütlichen Beisammensein süß-sauer oder in Curry verspeist wird. Die Deutschen links, die Franzosen rechts, der bescheidene Rest dazwischen, aber in völliger Harmonie. Seniorenstift Robinson mit Rundumsorglospaket, könnte man sagen. Es gibt schlechtere Möglichkeiten, auf seine alten Tage die Winter zu verbringen.
Und natürlich kennt hier jeder jeden. Mit Namen, Alter und kompletter Krankengeschichte. Viele kommen ja seit Jahren nur hierher, haben ihre Stamm-Bungalows, deponieren sogar in Plastikboxen ihr Gepäck vor Ort. Auf Koh Chang geht es daher - sagen wir mal - sehr familiär. zu. Man kennt die Wehwechen und Problemchen der anderen, weiß, wer wie viel oder wie wenig Rente kriegt. Es gibt kleine Gerüchte über die einen und kleine Lästereien über die anderen. Fast wie im richtigen Leben eben. Die Tage und Abende sind lang, vom Müsli zum Frühstück über das zum Tom Yum Gung Mittags bis zum Barrakuda am Abend. Da kann einen dann doch recht schnell der Inselkoller ereilen – besonders, wenn man alleine reist und (noch) kein Protagonist bei der hiesigen Lindenstraße ist oder sein will. In zehn Jahren dann vielleicht.
Und was macht das Ganja? Auch hier ist die Versorgung bestens geregelt und es wird offen geraucht. Es kursiert das gleiche Material wie auf Koh Phayam. Kleinmengen kosten unverhandelt bloß noch die Hälfte, also von Baht und Unzen umgerechnet etwa ein Euro das Gramm. Bei Großbedarf bei Weitem billiger. Da die Bungalow-Vermieter im Unterschied zu Koh Phayam kein Gras verkaufen wollen, lernt man dann auch zwangsläufig recht schnell den bereits weiter oben erwähnten Insel-Dealer Koh Changs kennen, der – laut Robinson-Gerüchteküche – übrigens im Nebenerwerb der einzige für die Insel zuständige Polizeibeamte sein soll … Wundern würde es mich nicht und praktisch wäre es auch. Jedenfalls geht er seinem Haupterwerb auf sehr faire Art und Weise nach und versorgt die ausländischen Senioren mit günstigem Stoff. Da kommt was zusammen in drei, vier Monaten. In Anbetracht des deutschen Renten-Niveaus ein nicht ganz unwichtiger Umstand auf der Elefanten-Insel in der thailändischen Andamanen-See.
Koh Phayam und Koh Chang: Same same, aber doch ganz schön different ...
Stefan Haag
Dieser Artikel stammt aus der grow! Ausgabe 3-2019. Wir veröffentlichen hier aus jeder neuen Ausgabe unseres Print-Magazins vier vollständige Artikel - erst als Leseproben, acht Wochen später als vollständige Texte, gratis für alle. Falls du diese Ausgabe nachbestellen möchtest, schau doch mal in unseren Shop. Alternativ findest du die Ausgabe auch als ePaper zum bequemen Lesen auf deinem Smartphone, PC oder Tablet.
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