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Haschisch: Teil 4 - Schmuggel und Transportwege

15.01.2013 11:26
von grow! Magazin
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extrakte

Schmuggel und Transportwege

Vielleicht habt Ihr Euch auch schon einmal gefragt, welchen Weg der marokkanische Krümel, den Ihr gerade geraucht habt, hinter sich hat. Pauschal kann man diese Frage leider nicht beantworten – zu vielseitig sind die Ideen der Schmuggler – aber es gibt dennoch Tendenzen, die z. B. aufzeigen, dass direkt aus Marokko geschmuggelte Mengen bis 10 kg zumeist von recht guter Qualität und größere Mengen eher von schlechterer Qualität sind. Warum dieses so ist, welche Rolle korrupte Polizisten, Soldaten sowie Matrosen spielen, welche Tricks und Routen Schmuggler des Öfteren verwenden, darum geht es in diesem vierten Teil unserer Haschisch-Serie.

 

 

Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass das meiste Haschisch aus Marokko über 2 verschiedene Transitwege nach Deutschland gelangt: entweder per Fahrzeug über Spanien oder als Seefracht über die Niederlande. In Containern gibt es manchmal geheime doppelte Wände, die ohne weiteres Platz für ein paar hundert Kilo Haschisch bieten, aber es kommt genauso vor, das es einfach zwischen oder in den Obst-, Gemüse- oder Kleidungskisten versteckt wird. Während noch vor ca. 7 Jahren die meisten Container über den Hafen in Algeciras auf der Fähre mit LKWs transportiert wurden, haben die modernen Durchleuchtungsanlagen des spanischen Zolls dazu geführt, dass sich Schmuggler auf andere Wege konzentrieren. So gut wie alle größeren Transporte sind gut organisiert und meistens gibt es mehr als 10 Mitwisser, die alle daran verdienen.

Ganz in der Nähe der nur 34 km breiten Meerenge zwischen Spanien und Marokko wurde am 27.7.2007 von König Mohammed VI. nach nur 5 Jahren Bauzeit und Baukosten von 2 Milliarden Euro der erste Containerterminal „Tanger MED“ eröffnet. Dieser Hafen soll zu Afrikas größtem Tiefseehafen ausgebaut werden, wobei zusätzlich ein neuer Fährhafen für 5 Millionen Passagiere sowie 500.000 Fahrzeuge pro Jahr entstehen soll – quasi paradiesische Zustände für gut organisierte Schmugglerbanden. Denn in den Entstehungsphasen ist der Kontrollmechanismus noch nicht ausgereift – viele kleine Lücken, die sich Schmuggler immer zu Nutze machen. Auch als 2001 bis 2002 die neue schnelle 35-minütige Fährverbindung zwischen Tarifa und Tanger entstand und sich die Gebäude des spanischen Zolls noch im Bau befanden, nutzten Kleinschmuggler die löchrigen Zäune am Hafen von Tarifa, um unkontrolliert einzureisen. Erst nach und nach wurden die Löcher gestopft. Heute hingegen werden dort auch Koffer-Durchleuchtungsgeräte eingesetzt, was es den Kleinschmugglern immer schwerer macht. Die gängigsten Methoden der Kleinschmuggler sind daher heute ein Transport direkt am Körper, in den Schuhsolen versteckt oder als verschluckte Karamello (ovale, mehrfach in Frischhaltefolie eingewickelte 5 bis 10 Gramm Haschisch-Bonbons), wobei der Schmuggler dann im wahrsten Sinne des Wortes in seiner eigenen Scheiße wühlen muss … Wer in Spanien erstmals erwischt wird und weniger als ein Kilo dabei hat, hat beste Chancen, nach nur einer Nacht im Gefängnis wieder freizukommen. Bei diesen Mengen erfolgt die Verurteilung in der Regel zu einer Bewährungsstrafe. Bei reinem Eigenbedarf in Verbindung mit medizinischen Gründen stimmen die Richter gerne gnädig. Der Urteilsspruch erfolgt spätestens am nächsten Tag – auch sonntags!

Der ca. 10 km lange Sandstrand zwischen der vorgelagerten Militärinsel und der großen Sanddüne von Tarifa ist auch heute noch der Strand, an welchem die meisten Schmugglerboote ankommen. An besonders nebeligen Tagen machen sich die Zodiak-Schlauchboote von Marokko aus auf den Weg. Allerdings steht dabei der Haschischschmuggel eher im Hintergrund, vielmehr geht es bei den Überfahrten um die illegale Einreise von Menschen aus allen Teilen Afrikas. Nur gelegentlich tragen diese „Illegalen“ ein paar Kilo Haschisch am Körper, um die Überfahrt zu finanzieren. Die größeren Haschischtransporte in dieser Schmuggelgegend laufen aber ganz anders ab: Während noch vor wenigen Jahren viel zu auffällige ultra-PS-starke Schlauchboote eingesetzt wurden, hängen heute einfache marokkanische Fischerboote, beladen mit bis zu 500 Kilo Haschisch, ihre Ladung irgendwo in den Fanggebieten der spanischen Fischer an eine Boje. Mit moderner GPS-Technik wird diese an sich sehr schwer auffindbare Boje geortet und das Haschisch wird auf ein spanisches Fischerboot verladen. Die spanische Polizeibehörde Guardia Civil hingegen beobachtet rund um die Uhr die Küste. Zumeist stehen die Beamten versteckt mit Ferngläsern auf den Hügeln hinter dem Strand. Unterstützt werden sie dabei von den Schnellbooten der Küstenwache. Deren Ziel ist es herauszufinden, wo die Schmuggler ihre Ware hinterlegt haben. Finden die Beamten eine Boje oder erwischen sie Schmuggler, so kommt es nicht selten vor, dass sie den Fang aufnehmen, die Schmuggler wieder laufen lassen und dann das Haschisch in eigener Regie dem Schwarzmarkt wieder zuführen. Ein sehr lukratives Geschäft, welches verdeutlicht, wie korrupt auch hier die Staatsbediensteten sind. Den erwischten Schmugglern bleibt dabei keine Wahl: futsch sind die Haschischplatten sowieso – und wer aufmuckt wandert für Jahre in den Knast. Zuviel Geld ist dabei im Spiel, abseits irgendwo schwebend an einer kleinen Boje mitten im Meer, fernab von allen mitwissenden Augen …

An der marokkanischen Küste, welche vom Militär überwacht wird, sieht es ähnlich aus. Die Küste zwischen Martil und Al Hoceima ist touristisch noch völlig unerschlossen. Lediglich im Juli und August campen dort tausende von Marokkanern wild am Strand bzw. auf den spartanischen Campingplätzen. Darunter sind auch viele marokkanische Familien, die in Europa leben. Nicht wenige von ihnen nutzen diese Urlaubstage am Fuße des Rif-Gebirges, um sich mit ein paar Kilo Dope einzudecken. Die großen Transporte hingegen laufen auch hier gut organisiert ab. Die Militärposten an der Küste, welche alle paar Hundert Meter verteilt sind, werden genauso geschmiert wie die Marine, die aus den Fischerbooten tonnenweise Standard-Haschischplatten an Bord nimmt, um dieses dann auf hoher See in Frachter bzw. Jachten umzuladen. Die gesamten Besatzungen, sowohl des Marineschiffes, als auch des Frachters sind dabei involviert. Bevorzugt werden dabei Frachter genommen, die aus dem Suezkanal kommend in Richtung Rotterdam unterwegs sind. Auf diesen Schiffen wird keinerlei Haschisch vermutet, was bedeutet, dass dort auch nicht nach Haschisch gesucht wird. Bei der Qualität des Haschisch in solch großen Mengen handelt es sich so gut wie ausschließlich um Standard-Platten. Die Bauern im Rif-Gebirge erhalten dafür zwischen 500,- und 1.200,- Dirham (45,- bis 110,- €) pro Kilo. Zumeist verkaufen sie ihre schlechteste Qualität immer an die gleiche Schmugglerorganisation. Das Haschisch wird sodann für den Schmuggel verpackt und auf kleine hölzerne Fischerboote mit Außenbordmotor verladen. Die meisten Boote werden dann irgendwo am Strand von Targa, Bou Ahmed, Stehad oder Oued Laou zu Wasser gelassen. An der bergigen Küste gibt es unzählige kleine Buchten, die zum Teil bis hin zum Strand mit geländegängigen Fahrzeugen erreichbar sind. Ein bewaffneter Militärposten – zumeist haben es sich 2 bis 3 Soldaten mit älteren Gewehren abends vor einer Steinbaracke am Lagerfeuer mit einer Tajine (traditioneller Tonkochtopf) und einer Zippsy (traditionelle Kif-Pfeife) gemütlich gemacht – schaut geschlossen gegen eine Gebühr weg, wenn die Boote im Dunkeln beladen und zu Wasser gelassen werden. Wenige Kilometer vor der Küste, von der Dunkelheit geschützt, wird die Lieferung entweder direkt auf private Jachten oder auf marokkanische Marineschnellboote verladen. In den Niederlanden angekommen, kümmert sich dann einer der vielen Nachfolger von Mr. Nice (Herr Nett) um die weitere Verteilung …

Sowohl Coffeeshop-Besitzer, als auch Kilo-Dealer haben Verbindungen zu diesen Herren Nett. Die „netten“ Geschäftsräume befinden sich meistens in ganz normalen Wohnungen, die in ganz Holland verteilt sind. Die Chance für einen deutschen Kleindealer, einen Herrn Nett kennenzulernen, ist sehr gering. Die Herren Nett leben eher unauffällig und arbeiten fast nur mit langjährigen Geschäftspartnern. Der Absatz der Produkte stellt in der Regel kein Problem dar. Die Nachfrage derer, die ihren Lebensunterhalt mit Haschisch bestreiten, ist groß genug. Verbindungen zu neuen Kunden aus Deutschland, Belgien, Frankreich usw. werden zumeist so aufgebaut, dass man gezielt Leute mit ausländischen Kennzeichen auf Autobahnraststätten (zumeist im Grenzgebiet) oder im Amsterdamer Redlight-Distrikt anspricht. Auf solche Angebote einzugehen ist nicht nur illegal, es besteht auch noch die Gefahr, dabei übers Ohr gehauen zu werden. Neue Kontakte entstehen ansonsten ausschließlich über alte Kontakte, sprich ein Kollege oder Freund wird dem Kilo-Dealer in Holland vorgestellt. Der Transport nach Deutschland erfolgt meistens mit 2 Fahrzeugen, wobei ein leeres Fahrzeug mit einem Vorsprung von ca. 5–10 Minuten vorausfährt, um das nachfolgende mit Kilos beladene Fahrzeug rechtzeitig vor großen Zollkontrollen warnen zu können. Da die Polizei auch diese Tricks kennt, kann es aus Sicht der Schmuggler ein fataler Fehler sein, eine Abfahrt vor der Zollkontrolle abzufahren. Zwei oder drei Abfahrten früher abzufahren, kann bei Schmugglern genauso darüber entscheiden, erwischt zu werden, wie fehlendes Verstecken im Fahrzeug oder auch offensichtliche Nervosität. Jedoch hat der verstärkte Absatz von Indoorgras dazu geführt, dass der Absatz von Haschisch über die Niederlande eher rückläufig ist. Da bei der Produktion von Haschisch aber zwangsläufig der kilomäßig größte Anteil Standard-Platten darstellt (siehe Teil 3) und diese immer weiter durch gut organisierte Schmugglerbanden dem Markt zur Verfügung stehen, wird es über die gleichen Strukturen von Holland aus im Ameisenverkehr nach Deutschland verteilt.

Seltener kommt es hingegen vor, dass Standard-Haschisch im Kleintransport direkt aus Marokko geschmuggelt wird. Bei den allermeisten Marokko-Kleintransporten – wobei hier jetzt Mengen bis maximal 10 Kilo gemeint sind – werden Zero bzw. Zero-Zero Qualitäten geschmuggelt. Dabei spielt die Größe des Versteckes und die optimale Ausnutzung eine wichtige Rolle. Fasst ein doppelter Boden in einem Wohnmobil z. B. maximal 7 Kilo, so macht es für den Schmuggler mehr Sinn, eine gute Qualität mitzunehmen, weil damit das Kosten-Nutzen-Verhältnis besser ausgenutzt werden kann. Neben einem sehr guten Versteck ist die Verpackung enorm wichtig. Um vor Hunden sicher zu sein, wird das Haschisch, welches in einem Zellophan-Beutel zu einer Platte oder Wurst gepresst wurde, zunächst mit Maler-Abklebe-Band umwickelt. Dann wird das Haschisch mindestens 2-mal in flüssiges Bienenwachs getunkt. Sobald das Wachs trocken ist und die gesamte Platte umschließt, wird es mit Paket-Klebeband umwickelt, um sicher zu gehen, dass die Bienenwachsschicht nicht mehr beschädigt werden kann. Wichtig beim Verpacken ist zudem, dass die arbeitende Person weder an der Kleidung noch an den Händen Rückstände von Haschisch hat, welche von sensiblen Hundenasen doch noch erschnüffelt werden könnten. Nur wer bei der Ausreise aus Marokko extrem nervös ist, braucht die autoabklopfenden, mit Blaumann bekleideten Zöllner zu fürchten. Während des Rückreiseverkehrs nach den Sommerferien fahren einfach viel zu viele Fahrzeuge, um alle zu kontrollieren. Bei diesem Ameisensystem bleiben zwar auch immer einige Schmuggler auf der Strecke, aber zumeist nur, weil sie sich beim Verstecken bzw. Verpacken nicht genügend Mühe gemacht haben. Um abschließend noch einmal aufzuzeigen wie vielseitig die Schmuggelwege nach Europa sind: Es gibt auch Freaks, die sich mit ihrem Allrad-Fahrzeug in Marokko mit Haschisch eindecken, über Mauretanien in den Senegal einreisen, um ihr Fahrzeug dann aus Dakar nach Europa zu verschiffen. In Europa angekommen, sucht dann kein Zöllner mehr nach Haschisch (auf das der letzte Satz „sucht dann kein Zöllner mehr nach Haschisch“ bald Realität wird …).

Oliver Becker

 

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