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Wie gefährlich ist Cannabis? (Teil 2)

15.01.2013 11:36
von grow! Magazin
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cannabis

Cannabis als Einstiegsdroge

Die Frage, inwiefern der Gebrauch von Cannabis dazu führt, auch andere illegale Drogen zu konsumieren, war lange Zeit umstritten.

Mittlerweile besteht jedoch weitestgehende Einigkeit darüber, dass eine Vielzahl opiatabhängiger Personen Cannabis zwar als erste illegale Substanz konsumierte, dass im Gegensatz dazu aber der größte Teil der Cannabisgebraucher eben gerade nicht auf andere illegale Substanzen, insbesondere auf Opiate, umsteigt. Das zwischen dem Konsum von Cannabis und der Einnahme anderer illegaler Drogen ein kausaler Zusammenhang besteht, ist folglich abzulehnen. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass viele Drogengebraucher zunächst Alkoholika wie Bier und Wein oder aber Zigaretten konsumieren. Der Konsum von Cannabis liegt dabei zeitlich nach den Erfahrungen mit den genannten legalen Drogen und kann gefolgt sein von einem eventuellen Konsum anderer illegaler Drogen. Folglich stellen Cannabisprodukte, wenn überhaupt, nur eine Zwischenstufe dar.

Dr. Nicole Krumdiek
Dr. Nicole Krumdiek

So hat auch das BVerfG eine Schrittmacherfunktion abgelehnt, soweit damit die stoffliche Eigenschaft der Cannabisprodukte angesprochen wird. Einen gewissen Umsteigeeffekt auf andere illegale Drogen hat das Gericht jedoch in Bezug auf die Einheitlichkeit des Drogenschwarzmarktes angenommen. Hinsichtlich der Tatsache, dass Cannabis­konsumenten bei der Besorgung von Cannabis bei ihrem Dealer, auch in Kontakt zu weiteren illegalen Drogen kommen, wäre die Möglichkeit erhöht, auch diese anderen Substanzen zu probieren. Mittlerweile muss jedoch angezweifelt werden, dass die Vorstellung eines subkulturellen Drogenmilieus in Bezug auf Cannabis noch der Realität entspricht. In vielen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass das Cannabis privat über Freunde und Bekannte gekauft wird, so dass der Gang in die Drogenszene nicht mehr erforderlich ist. Sofern dies nicht der Fall ist, kann eine Schrittmacherfunktion dennoch nicht der Substanz Cannabis zugeschrieben werden. Denn Grund für die Einheitlichkeit des Schwarzmarktes ist ausschließlich die Kriminalisierung, so dass diese als Grund für potentielle Kontakte zu anderen Drogen erachtet werden muss.

Folglich lässt sich die These der „Einstiegsdroge“ für Cannabis aus keinem Blickwinkel mehr aufrechterhalten. An diesem wissenschaftlich einhelligen Ergebnis können auch ein möglicher Wirkstoffanstieg oder entsprechende staatsanwaltliche Plädoyers nichts ändern.

Amotivationales Syndrom

Unter dem sogenannten „amotivationalen Syndrom“ wird vorwiegend verstanden, dass Symptome wie allgemeine Antriebs- und Aktivitätsreduktion, Gleichgültigkeit bezüglich den Ansprüchen des täglichen Lebens, fehlende Zielgerichtetheit bzw. Zukunftsorientierung, Mangel an Leistungsorientierung sowie die Konzentration auf augenblickliche lustbetonte Ziele beim Konsumenten auftreten. Fraglich ist dabei, inwiefern ein wie auch immer gearteter Cannabiskonsum zwangsläufig zum Eintritt der Symptomatik führt, bzw. ob die Ursache des amotivationalen Syndroms tatsächlich in dem Konsum von Cannabis zu finden ist, oder ob andere psychische Probleme den Konsumenten zu einem solchen Verhalten veranlassen.

Zahlreiche durchgeführte Untersuchungen an Studenten und Arbeitern innerhalb und außerhalb von Laborbedingungen kamen jedoch zu dem Schluss, dass der Konsum von Cannabis gerade nicht zu den beschriebenen Demotivationserscheinungen führt. So konnte die Symptomatik, die eigentlich dem amotivationalen Syndrom zugeschrieben wird, auch bei Nichtkonsumenten beobachtet werden. Andererseits sind auch unter den Cannabiskonsumenten Personen zu finden, die extrem leistungsorientiert sind. Eine kausale Verbindung zwischen dem Konsum von Cannabis und abnehmender Leistungsmotivation ließ sich folglich nicht ermitteln.

Grundsätzlich kann im Vergleich zu Nichtkonsumenten dennoch gesagt werden, dass Cannabisgebraucher zwar weniger, aber keines Falles wenig leistungsorientiert sind. So sind cannabiserfahrene Personen häufiger normal leistungsmotiviert als cannabisunerfahrene bzw. cannabisabstinente Menschen, während cannabisunerfahrene bzw. –enthaltsame Personen häufiger hoch leistungsorientiert sind. Ein Grund hierfür kann darin gesehen werden, dass ein Teil der Menschen, die Cannabis gebrauchen, bereits vor Beginn des Konsums eine Lebensweise bevorzugten, die weniger leistungs- und karriereorientiert ist. Der Gebrauch von Cannabis, mit der sowohl entspannenden als auch dämpfenden Wirkung, fügt sich dementsprechend in die gewünschte Lebensweise ein. Andererseits scheinen Personen, die extrem leistungsmotiviert sind, gerade nicht empfänglich zu sein für einen mehr oder weniger anhaltenden Gebrauch von Cannabis.

Die These vom amotivationalen Syndrom als typische Folge eines Cannabiskonsums ist dementsprechend abzulehnen. Auch dieses Ergebnis ist dabei unabhängig vom THC- Gehalt des konsumierten Cannabisproduktes gültig.

Physische und psychische Substanzabhängigkeit

Nach international entwickelten Klassifikationssystemen (ICD-10, DSM-IV) wird von einer Abhängigkeit nur dann gesprochen, wenn eine Mindestzahl an Kennzeichen aus den Kriterienlisten erfüllt ist. Diese Listen enthalten Merkmale wie den verstärkten Wunsch, die Substanz erneut einzunehmen; Schwierigkeiten hinsichtlich der Konsumkontrolle; anhaltender Substanzgebrauch trotz schädlicher Folgen; Auftreten von Entzugssymptomen nach Absetzen der Substanzeinnahme; Entwicklung einer bedeutsamen Toleranz­entwicklung die zur Dosissteigerung führt und mangelnde Prioritätensetzung hinsichtlich den Aufgaben des täglichen Lebens, wie Schule, Beruf, sozialen Betätigungen und Freizeitaktivitäten, wobei dem Konsum Vorrang vor anderen Aktivitäten und Verpflichtungen gegeben wird.

Physische Cannabisabhängigkeit

Grundsätzlich versteht man unter einer körperlichen Abhängigkeit, dass beim Absetzen der betreffenden Substanzen Entzugserscheinungen auftreten. Entzugserscheinung sind dabei entweder definiert als die der Substanz typischerweise anhaftenden Abstinenzreaktionen, oder als ein Verhalten, dass sich darin äußert, die gleiche oder eine ähnlich wirkende Substanz zu konsumieren, um so den Entzugserscheinungen abzuhelfen bzw. vorzubeugen. Zusätzlich kann es bei einer körperlichen Abhängigkeit zu Toleranzentwicklungen kommen. Dabei ist unter Toleranzentwicklung zu verstehen, dass trotz fortgesetzter Einnahme einer gleichbleibenden Substanzmenge, ein herabgesetzter Effekt eintritt, worauf der abhängige Konsument die entsprechende Menge steigert, um so die gewünschte Wirkung herbeizuführen. Bei der Frage, inwiefern diese Symptome auch dem Gebrauch von Cannabis zuzuschreiben sind, muss zwischen unregelmäßigem bzw. vorübergehendem und chronischem Konsum unterschieden werden.

Gelegentlicher bzw. episodischer Konsum

Toleranzerscheinungen treten, wenn überhaupt, nur dann auf, sofern THC in sehr hohen Dosen und über längere Zeiträume eingenommen wird, so dass es zur Entwicklung einer chronischen Intoxikation kommt. Folglich führt ein gemäßigter bzw. vorübergehender Gebrauch nach allgemeiner Auffassung weder zu einer Toleranzbildung, noch zu einer körperlichen Abhängigkeit, so dass auch die Möglichkeit eventueller Entzugssymptome abzulehnen ist.

Chronischer Konsum

Wie gerade angesprochen, können Toleranzerscheinungen auftreten, sofern Cannabis in großen Mengen und über einen dauerhaften Zeitraum eingenommen wird. Dabei betreffen die Toleranzwirkungen den Anstieg des Pulsschlages sowie das ´High`-Empfinden. Durchgeführte Studien kommen jedoch auch hierbei zu unterschiedlichen Ergebnissen, was sich aber mit differierenden Dosisvergaben erklären lässt. Dabei konnte bisher noch keine wissenschaftliche Erklärung für die Toleranzentwicklung gefunden werden. Als Grund für die grundsätzlich anzunehmende Toleranzentwicklung werden pharmakodynamische Prozesse angegeben. Trotz potentieller Toleranzentwicklung erfolgt eine Dosissteigerung dabei jedoch typischerweise nicht hinsichtlich der verwendeten Cannabismenge, sondern -wenn überhaupt- hinsichtlich der Konsumfrequenz. Dabei wurde aber auch festgestellt, dass Toleranzbildungen gegenüber den einzelnen Cannabis-Wirkungen durchaus schnell reversibel sind.

Hinsichtlich der Tatsache, dass die Toleranzentwicklung bei Cannabis häufig gerade nicht zu einer Dosissteigerung führt, muss die Frage gestellt werden, ob dass Kriterium der Toleranzentwicklung damit überhaupt als erfüllt zu betrachten ist. So ist auch nach dem Kriteriensystem DSM die Toleranzbildung nicht zwingend auf Cannabis anwendbar.

Ob deshalb noch von der Möglichkeit einer physischen Dependenz gesprochen werden kann, richtet sich unter anderem danach, ob nach Absetzten der Cannabiseinnahme Entzugserscheinungen auftreten. Durchgeführte Untersuchungen hierzu haben ergeben, dass bei einem Teil der Probanden nach Absetzten der THC-Vergabe leichte Symptome wie Verwirrung, innere Unruhe, Schlafstörungen, geringerer Appetit, Übelkeit, vermehrtes Schwitzen, übermäßiger Speichelfluss, erhöhte Körpertemperatur, Zittern und Gewichtsverlust auftraten, wobei auch hier die Untersuchungen nicht immer zu eindeutigen bzw. auf den Menschen übertragbaren Resultaten kamen. Sofern jedoch Entzugserscheinungen auftraten, klangen diese innerhalb der folgenden Stunden bzw. Tage ab. Lediglich vereinzelte Personen litten darüber hinausgehend an länger andauernden Schlafstörungen. Bei vielen Konsumenten blieb dabei die eben beschriebene Entzugsymptomatik gänzlich aus.

Folglich ist das Auftreten der als schwach bzw. mild zu bezeichnenden Entzugssymptome keine zwingende Konsequenz eines chronischen Cannabiskonsums. Dabei geht auch das Diagnosesystem DSM davon aus, dass die Entzugssymptomatik bei Cannabiskonsumenten im allgemeinen nicht auftritt.

Demnach kann auch bei dauerhaftem Cannabiskonsum, wenn überhaupt, nur von der Möglichkeit einer extrem schwachen physischen Abhängigkeit gesprochen werden, die, wo sie denn auftritt, weder ein ernstes Problem für den Cannabisgebraucher darstellt, noch dazu veranlasst, den Konsum weiterhin zu betreiben. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass die Einstellung jeglichen Cannabisgebrauches nicht nur jederzeit, sondern auch immer mit der gleichen Wahrscheinlichkeit möglich ist.

Hinsichtlich dieses Ergebnisses muss deshalb davon ausgegangen werden, dass Cannabis eine im Allgemeinen nicht physisch abhängig machende Substanz ist.

Sofern diesbezüglich von verzögerten Entzugserscheinungen gesprochen wird, handelt es sich um eine verzerrende Darstellung. Richtig ist zwar, dass sich die Abbauprodukte von THC je nach Konsumgewohnheit noch mehrere Tage bis Wochen im menschlichen Fettgewebe nachweisen lassen. Dies gilt aber ausschließlich für solche Cannabinoide, die keinerlei psychotrope Wirkung entfalten. Die THC-Bestandteile selbst, die für den berauschenden Effekt des Cannabis verantwortlich sind, haben sich bereits nach wenigen Stunden in unwirksame Verbindungen umgewandelt. Aus diesem Grund hat der konkrete THC-Wert des verwendeten Cannabisproduktes deshalb auch keinen Einfluss auf das Auftreten von Entzugserscheinungen.

Psychische Substanzdependenz

Psychische Abhängigkeit wird als ein durch Drogen verursachter, innerer Zustand seelischer Zufriedenheit beschrieben, der mit der Tendenz einhergeht, die Droge periodisch oder dauerhaft zu gebrauchen, um auf diese Weise ein Gefühl des Glücks zu produzieren bzw. empfundenes Unbehagen zu vermeiden. Deshalb muss immer zunächst die Unterscheidung getroffen werden, ob ausschließlich die entsprechend befragten Cannabiskonsumenten sich selbst als abhängig bezeichnen, oder ob dies auch nach den genannten Klassifikationssystemen zutrifft. Dies wird in den Darstellungen über die Folgen des Cannabiskonsums leider nicht immer deutlich gemacht.

So gaben in einer durchgeführten Studie 23 % der befragten, ausschließlich cannabiskonsumierenden Personen an, abhängig von Cannabis zu sein. Eine Einschätzung nach den Kriterien der DSM-IV ergab hingegen eine Abhängigkeitsrate von lediglich 2 %. Diese Zahl stieg hingegen, sofern neben Cannabis auch andere illegale Substanzen konsumiert wurden. Hier lag die Cannabisdependenzrate bei 8 % der untersuchten Gesamtgruppe. Bei der Klassifizierung des Schweregrades der Abhängigkeit konnte bei 1 % der Abhängigen eine schwere Symptomatik festgestellt werden.

Andere Studien kamen dabei zu ähnlichen Ergebnissen, so dass feststeht, dass der Anteil an abhängigen Cannabiskonsumenten nur einen geringen Teil der Gesamtgebraucher ausmacht. Die überwiegende Anzahl an Konsumenten gebraucht bzw. gebrauchte demnach das Cannabis, ohne jemals psychisch dependent gewesen zu sein bzw. zu werden. Ein Grund hierfür ist darin zu sehen, dass der Konsum von Cannabis häufig nur ein verübergehender Zustand im Jugendalter darstellt, der mit Beginn des Erwachsenenalters regelmäßig eingestellt wird. Unabhängig hiervon bleibt zudem zu erwähnen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Abhängigkeit grundsätzlich nicht mit der Dauer des Konsums steigt. Dagegen wird ein frühes Alter beim Erstkonsum mit einem intensiverem Gebrauchs­verhalten im weiteren Verlauf in Verbindung gebracht. Neuere Studien haben jedoch ergeben, dass ein häufigeres Einnehmen von Cannabis bei Jugendlichen eher selten festzustellen ist.

Ungeklärt ist damit aber noch, welche Faktoren zu einer entsprechenden Abhängigkeit führen können. Auffällig ist, dass ca. 80 % aller dependenten Personen mindestens eine weitere psychische Störung aufwiesen, während innerhalb der nichtabhängigen Untersuchungsgruppe die Anzahl hier einen Satz von 28 % betraf. Diese Unterschiede werden noch gravierender, sofern spezielle Störungen als Untersuchungsgegenstand herangezogen wurden. So litten 27,6 % der abhängigen Personen an einer antisozialen Persönlichkeitsstörung, während dies „nur“ auf 1,9 % der nichtabhängigen Probanden zutraf. Angststörungen wie z.B. Phobien und Panikstörungen konnten ebenfalls bei 21,6 % bzw. 7,8 % der Abhängigen diagnostiziert werden, im Unterschied zu 8,0 % bzw. 0,8 % bei Nichtabhängigen. Depressionen wiesen 18,6 % der Abhängigen auf, im Gegensatz zu 7,9 % der Nichtabhängigen. Dabei lag das durchschnittliche Auftrittsalter deutlich unterhalb des Alters, in welchem regelmäßig mit dem Drogenmissbrauch begonnen wurde. Auch die Selbsteinschätzung befragter Personen gehen mit diesen Ergebnissen einher. So gaben abhängige Konsumenten bedeutend häufiger an, weniger selbstwirksam und einsamer zu sein, als nichtabhängige Gebraucher dies beschrieben.

Die Gesamtbetrachtung der durchgeführten Studien lässt folglich den Schluss zu, dass Personen, die eine Cannabisabhängigkeit entwickelten, überwiegend bereits vor Konsumbeginn auch unter weiteren psychischen bzw. sozialen Störungen litten. Ob sich daraus aber auch ableiten lässt, dass das aus psychischen Störungen resultierende mangelnde Problembewältigungssystem der betreffenden Konsumenten, zu der Einnahme und im Weiteren zur Anhängigkeit von Cannabis führt, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Daneben besteht auch die Möglichkeit, dass die Wirkungen des Cannabis selbst den eigentlichen Antriebsfaktor darstellen, Cannabis bis hin zur Entwicklung einer entsprechenden psychischen Dependenz zu konsumieren.

Der oben bereits angeführte Kreis an Menschen, die nicht zum Konsum von Cannabis geeignet sind, muss damit hinsichtlich möglicher psychischer Folgeprobleme, um psychovulnerable Personen erweitert werden.

Für diesbezüglich nicht vorbelastete Menschen ist aber weder mit dem Eintreten einer Cannabisabhängigkeit noch mit dem Auftreten sonstiger psychischer Probleme als Folge des wie auch immer gearteten Cannabiskonsums zu rechnen. Auch dieses Ergebnis steht dabei losgelöst von den durchschnittlichen THC-Werten.

Die Frage nach dem Anstieg des THC- Gehaltes

Bereits seit geraumer Zeit wird bei der Diskussion um die Gefahren des Cannabiskonsums häufig ein zum Teil „sprunghafter“ THC-Anstieg als Begründung für die Verwehrung von Verfahrenseinstellungen und für die Abstufung der „geringen Menge“ auf bundeseinheitliche 6 g  angeführt.

Dies ist insofern erstaunlich, als dass die hierzu durchgeführten Untersuchungen aus dem Jahr 2002 einhellig zu dem Ergebnis kamen, dass der durchschnittliche Wirkstoff-Gehalt von Marihuana sowohl auf dem deutschen, als auch auf dem europäischen Markt im Vergleich zu den Vorjahren grundsätzlich als stabil zu erachten ist. Danach lag der durchschnittliche THC-Gehalt bei Marihuana und Haschisch nicht nur in Deutschland, sondern in den jeweils untersuchten europäischen Ländern, allgemein zwischen etwa sechs bis acht Prozent.

Umso mehr verwundert es dann, dass in einem jüngst erschienen Artikel ein bundesweit durchschnittlicher THC-Gehalt von 9 % Wirkstoffgehalt als Beleg für den sprunghaften Anstieg angeführt wird. Dabei ist der Vergleich der Autoren mit Werten aus dem Jahr 1993 zwar grundsätzlich als Indiz für eine langfristige Erhöhung des THC-Gehaltes zu sehen, inwiefern hier die Zahlen aus dem Jahr 1993 aber dem gleichen wissenschaftlichen und technischen Forschungsstand entsprechen, wird nicht näher beschrieben.

Zudem bleiben die Autoren bei ihrer Darstellung nicht ganz unerhebliche Informationen schuldig. So führen sie z.B. nicht aus, dass die Wirkstoffgehalte entsprechend nach Straßenhandel, Kleinhandel und Großhandel unterschieden werden müssen. Danach werden im Großhandel Preissteigerungen von um die 10 % für Marihuana festgestellt. Vermutungen zur Folge, könnte dies in Verbindung mit einem steigenden Wirkstoffgehalt stehen. Aber auch wenn dies noch unklar ist, so steht bereits jetzt fest, dass beim Endverbraucher – und damit beim Konsumenten- eine solche Differenzierung in der Qualität bisher nicht zu finden ist. So wurde hier im Vergleich zum Vorjahr für das Jahr 2005 sogar ein Rückgang des mittleren THC-Gehaltes festgestellt. Dieser Abfall ist dabei insbesondere auf den rückläufigen mittleren Wirkstoffgehalt von Marihuana zurückzuführen, der 2005 bei 6 % lag, während 2004 ein Wert von durchschnittlich 9,9 % ermittelt wurde.

Insgesamt lagen die THC-Werte für Marihuana und Haschisch auch 2005 im Schnitt nach wie vor bei 8 %. Sofern hier ein leichter Anstieg Richtung 9 % zu vermerken ist, so ist hier zu betonen, dass die jeweilig ermittelten Zahlen durch sog. Zufasseffekte stark verändert werden können. So wurden im Jahr 2005 rund 94.000 Cannabispflanzen beschlagnahmt, was seit 1999 die größte Zahl beschlagnahmter Pflanzen darstellt. Im Vergleich zu 2005 stellt dies eine Steigerung von 40 % dar. Die ermittelten Werte sind folglich immer auch unter dem Einfluss solcher Bedingungen zu betrachten.

Insgesamt kann damit gesagt werden, dass allenfalls langfristig ein geringer Anstieg des Wirkstoffgehaltes zu verzeichnen ist. Dabei macht die aktuelle Kenntnislage aber ebenfalls deutlich, dass solche Entwicklungen von bisher nicht einkalkulierbaren Schwankungen abhängig sind. Ob der Trend des mäßigen Wirkstoffsanstiegs dabei auch zukünftig anhält, kann dabei nicht mit Sicherheit gesagt werden. Vielmehr besteht auch die Möglichkeit, dass sich der absteigende Trend, der sich bei Marihuanaprodukten im letzten Jahr durchgesetzt hat, auch weiter anhält, bevor es dann wieder zu einem Anstieg kommt.

Als Argument für eine wie auch immer geartete Strafschärfung kann die Entwicklung des THC-Gehaltes jedenfalls nicht herhalten. Dies gilt insbesondere deshalb, da die potentiellen physischen, psychischen und sozialen Auswirkungen des Cannabiskonsums nicht vom THC-Gehalt, sondern vielmehr vom jeweiligen Konsummuster des Konsumenten abhängig sind.

So kann auch starkes Cannabis entsprechend gering bzw. wirkstoffarmes Cannabis entsprechen hoch portioniert werden, um den gewünschten Rausch zu erzielen. Je höher allerdings der THC Gehalt ist, desto weniger Substanz wird benötigt, wodurch gesundheitliche Schädigungen des Lungen-Bronchial-Systems reduziert werden können.

Insgesamt stellt die Diskussion um ansteigende THC-Gehalte damit ein in sich unschlüssiges und konstruiertes bzw. instrumentalisiertes Argument dar.

Zusammenfassung und Stellungnahme

Abschließend soll nochmals betont werden, dass mit dem vorliegenden Artikel nicht bezweckt werden soll, die potentiellen Risiken, die der Konsum von Cannabis nach sich ziehen kann, zu verharmlosen. So ist allgemein bekannt, dass es ausschließlich die eingenommene Dosis ist, welche die Gefährlichkeit bzw. Ungefährlichkeit einer Substanz bestimmt. Aus diesem Grund wird es dabei auch seit längeren abgelehnt, eine Einteilung in „weiche“ und „harte“  Drogen vorzunehmen.  Zutreffender ist es vielmehr, von „harten“ und „weichen“ Gebrauchsmustern zu reden. Dies wird insbesondere bei der momentanen Diskussion um Folgen falscher Ernährung in Deutschland sichtbar.

Ziel dieses Beitrages war es daher, einen objektiven Überblick über den wissenschaftlichen Kenntnisstand der nationalen und internationalen Forschung zu vermitteln. Danach bestehen nach wie vor potentielle Risiken, die mit dem Gebrauch von Cannabis einhergehen. Diese sind jedoch nicht nur entsprechend kalkulierbar, sondern im Vergleich zu anderen legalen und illegalen Drogen, auch gesellschaftlich und politisch tragbar. Dies gilt dabei insbesondere für die Möglichkeit der psychischen Abhängigkeit. Nicht nur, das eine solche sich bei denkbar vielen Tätigkeiten wie beispielsweise Einkaufen, Sport, Essen, Sex sowie Computerspielen etc. entwickeln kann, darüber hinausgehend ist der Kreis der betroffenen Personen im Vergleich zur Konsumentenzahl als gering zu erachten.

Dabei soll natürlich nicht verschwiegen werden, dass auch der Konsum von Cannabisprodukten nicht von jeder Person unbedenklich betrieben werden kann. So ist Herz-Kreislauf-Patienten, Schwangeren, psychisch labilen Personen als auch aktiven Verkehrsteilnehmern vom Konsum abzuraten. Dies betrifft allerdings nicht ausschließlich Cannabis, sondern trifft auch auf jede andere legale bzw. illegale psychotrop wirkende Substanz zu. Bezüglich des Konsums seitens Jugendlicher kann dabei nichts anderes gelten. Auch hier sind entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um einen missbräuchlichen Gebrauch zu verhindern. Jedoch können die potentiellen Folgen, die bei Jugendlichen und Heranwachsenden aufgrund eines wie auch immer gearteten Cannabiskonsums eintreten können, nicht als Anlass genommen werden, um die Diskussion der rechtstaatlich gebotenen Freigabe von Cannabisprodukten zu verfälschen. Auch kann dies nicht die Forderung rechtfertigen, die geringe Menge im Rahmen der Einstellungsmöglichkeiten bundes­einheitlich auf verfassungsrechtlich fragwürdige 6 g zu begrenzen.

Denn die Tatsache, dass eine Substanz für bestimmte Bevölkerungsgruppen Gefahren birgt, kann für die grundsätzliche Bewertung der Risikopotentiale nicht ausschlaggebend sein. So würde auch niemand auf die Idee kommen, bestimmte Lebensmittel wie z.B. Nüsse zu verbieten, nur weil es Menschen gibt, die auf den Konsum mit zum Teil lebensbedrohlichen Allergien reagieren. Hier ist vielmehr zu untersuchen, wie sich die Einnahme einer Substanz auf den durchschnittlichen und damit „normalen“ Konsumenten aufwirkt. Sofern dies als Grundlage der Gefahreneinschätzung von Cannabisprodukten gemacht wird, kann dann aber nicht anderes gelten, als dass der moderate Gebrauch von Cannabis von Nicht-Risiko-Konsumenten als relativ ungefährlich zu erachten ist. Hieran kann auch ein potentieller Anstieg des THC-Gehaltes nichts ändern. Denn sofern es zu zukünftig tatsächlich zu einem signifikanten Anstieg des THC-Gehaltes kommen sollte, ist dies eher mit unterschiedlich starken Alkohol- und Kaffegetränken wie beispielsweise Bier und Schnaps sowie Milchkaffe und Espresso zu vergleichen. Je nach Rauschbedürfnis wird die mildere oder stärkere Variante vom Konsumenten vorgezogen, bzw. von dem einen oder anderen mehr oder weniger konsumiert. Die vom Cannabis ausgehenden potentiellen Risiken hängen dabei gerade nicht von der Höhe des Wirkstoffgehaltes ab. Zudem muss an dieser Stelle auch noch mal erwähnt werden muss, dass ein unkontrollierter Anstieg des THC-Gehaltes ausschließlich in der vorliegenden Kriminalisierung begründet liegt. Sofern sich der Deutsche Gesetzgeber in Übereinstimmung mit der Verfassung für eine reglementierte Abgabe entscheiden würde, könnte der Staat sowohl den Verunreinigungsgrad, den Pestizid- und Schimmelbefall als auch den Wirkstoffgehalt entsprechend kontrollieren. Zudem könnte so – mehr jedenfalls als es die Kriminalisierung vermag- verhindert werden, dass eine Abgabe an Jugendliche erfolgt.

Insgesamt ist daher die verfälschende Darstellung von einer ansteigenden, neu entdeckten oder gar „medizinisch erwiesenen“ Gefährlichkeit in jeder Hinsicht kontraproduktiv. Erreicht wird damit ausschließlich, dass noch mehr ansonsten konform lebende Konsumenten in strafrechtliche Ermittlungsverfahren und den vielfältig belastenden Folgen verwickelt werden. Darüber hinausgehend wird auch die benötigte objektive Auseinandersetzung mit dem Thema fast unmöglich gemacht.

Dr. Nicole Krumdiek

Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bremen und Mitglied des Bremischen Instituts für Kriminalpolitik (BRIK)

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