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Interview Dr. García de Palau
Dr. Mariano García de Palau, geboren am 17. Februar 1956 in Barcelona, arbeitet seit 38 Jahren als Arzt in der Unfall- und Notfallmedizin. Ende 2012 gründete er mit der Kalapa Clinic die erste auf THC- und CBD-Therapien spezialisierte Praxisklinik mit Niederlassungen in Barcelona und auf Teneriffa. Im Rahmen einer Fachtagung in Granada sprach er mit uns über den Nutzen der lange Zeit als Droge verteufelten Heilpflanze.
grow! Wie kam es zur 2012 in Spanien gegründeten „Kalapa Clinic“, der ersten Klinik, die sich europaweit auf die Behandlung mit medizinischem Cannabis (CBD und THC) spezialisierte?
M. García de Palau: Die Idee dazu entstand aus der Notwendigkeit heraus, dass man Patienten zu medizinischem Cannabis beraten und damit behandeln können soll. Aber auch Hausbesuche abzustatten oder medizinischen Rat per Videokonferenz geben zu können. Wir sprechen damit all jene Menschen an, die an Erkrankungen leiden, die für Cannabis-Wirkstoffe empfänglich sind. Aber auch, um ein kleines Labor zu unterhalten, dass eigene CBD-Wirkstoffe wie Öle aus der gesamten Cannabispflanze herstellt, die standardisiert sind und als Lebensmittelzusatzstoffe auch offiziell anerkannt sind. Dabei ist es wichtig, die Konzentration des Wirkstoffgehalts zu kennen und diese auf den Patienten abgestimmt zu dosieren. Cannabis-Pflanzen sind sehr variabel in ihrem THC- und CBD-Gehalt. Darüber hinaus sehen wir unsere Klinik auch als Zentrum für Aus- und Weiterbildung, sowie als Informationsstelle für Kollegen aus Medizin und Forschung. Und ebenfalls auch als Schnittstelle zwischen den Patienten untereinander und zu den Medizinern.
grow! Aus welchen Cannabis-Sorten werden die Wirkstoff-Öle hergestellt?
M. García de Palau: Wir verfügen über zwei Varianten Industrie-Hanf, aus dem CBD extrahiert wird. Auch arbeiten wir mit Cannabissorten, die für den rekreativen Konsum gemacht sind. Denn der CBD- und natürlich auch THC-Gehalt der Sorten Sativa (Anm. oder auch Indica) ist bedeutend höher, als beim Industrie-Hanf, bis zu 20 Prozent und mehr. Der Markt für CBD ist dabei primär der mit CBD-Extrakten. Jene Konzentrate sind auch für den Export erhältlich, so auch ein Teil unserer Öle.
grow! Wie sieht es in Spanien mit dem Zugang für Patienten zu CBD- oder THC-haltigen Produkten aus? Können sie potente Cannabis-Blüten erwerben?
M. García de Palau: Spanien ist hier nicht viel anders als die meisten Länder, doch mit einem kleinen Unterschied. Es ist weder legal, noch illegal. Kurzum allegal, was eine kuriose Situation bewirkt. Ein Teil des Marktes ist reguliert, ein anderer nicht. Auf Patientenseite ist CBD problemlos auch online zu erwerben, mehr als 100 Firmen produzieren aktuell Extrakte. Das THC hingegen ist schwer für Patienten zu erhalten, legal geht das über Cannabis-Social-Clubs oder illegal am Schwarzmarkt. In Spanien gibt es nur ein Labor, das KSK-Lab, das hat standardisierte und exakt dosierte THC-Öle.
grow! Wenn Sie Ihre Patienten mit THC behandeln, welche Konsumform raten Sie ihnen? Öle, Tees, Kekse oder gar als Joint geraucht?
M. García de Palau: Da ich Arzt bin, darf und kann ich ganz prinzipiell das Rauchen, gar noch gemischt mit Tabak, keinesfalls empfehlen. Die Verbrennung ist schädlich. Wir von der Kalapa Clinic raten beim Konsum von natürlichem THC, die Blüten mittels eines Vaporizers zu verdampfen. Dabei wird nichts verbrannt. Es ist sauber. Für mich ist das der interessantere Weg, weil wir das Kraut an sich verwenden können. Ganz generell können wir, wenn es um medizinisches Cannabis geht, die Pflanze per se verwenden. Die Blüten aber, müssen zuvor unbedingt per Chromatografie analysiert werden, um ihren Wirkstoffgehalt zu bestimmen und exakt dosieren zu können.
grow! Ist dies auch für Patienten, die noch nie in ihrem Leben Kontakt zu Cannabis hatten, empfehlenswert?
M. García de Palau: Für all jene eignen sich alternative Einnahmeformen. Nicht jeder verträgt die psychoaktive Wirkung des THC. Das, was man generell als „High“ versteht.
grow! Mit welchen Krankheiten sind Ihre Patienten konfrontiert?
M. García de Palau: Wir haben unlängst eigens eine Statistik hierzu erstellt. Fast 50 Prozent der Patienten sind wegen Epilepsie in Behandlung. Knapp ein Viertel sind Krebspatienten, nicht nur auf Grund der belegtermaßen positiven Wirkung auf Wohlbefinden, Appetit und gegen Übelkeit, die Begleiterscheinungen einer Chemotherapie. Cannabis und Krebs ist ein aktuell heißes Thema. Denn wie wir wissen, hat THC Krebszellen-tötende Wirkung. Das ist etwas, das bislang jedoch einzig in Laborversuchen mit Mäusen belegt ist, aber eben noch in keiner einzigen Studie an Menschen bewiesen werden konnte. Viele Patienten setzen ihre Hoffnung auf die THC-Wirksamkeit. Jedoch fehlen uns wichtige Daten hierzu, wie Dosierung, welche Wirkstoffe am wirksamsten sind und wie die gemeinsam mit der Chemotherapie wirken. Und welche Cannabinoid-Kombinationen eben bei welchen Krebsarten welche Effekte zeigen.
grow! Wo wird in Spanien an klinischen Studien zu THC und Krebs gearbeitet?
M. García de Palau: Es heißt, die Kollegen am Madrider Carlos Haya Spital sind mit der Planung einer solchen befasst. Jedoch mit einem Fokus auf Schädel- und Hirntumore, das Gliom. Manolo Guzmán untersuchte dies ja an Mäusen. Es ist ein Paradox, dass wir bereits mit guten Ergebnissen Krebspatienten mit THC behandeln, und dass man noch immer keine valide klinische Studie an Menschen zur Wirkung auf den Weg bringen konnte.
grow! Sie haben Ihr Medizinstudium in den 1970er-Jahren abgeschlossen. Wann begannen Sie, sich für Cannabis zu interessieren?
M. García de Palau: Meinen Abschluss machte ich just 1979. Mein Interesse für Cannabis fing ganz beiläufig an zu wachsen. Ich konsumierte es selbst aus rekreativen Gründen. Aber von den ersten Erfahrungen an wuchs mein Interesse für diese wunderbare Pflanze weiter. Über Jahrzehnte studierte ich die Cannabis-Pflanze, ihre Arten, Wirkstoffe und die lange Geschichte der medizinischen Nutzung über mehrere Jahrtausende. Cannabis ist einzigartig unter mehr als 300 Pflanzenarten. Das fesselte mein Interesse. Nach dem Studium war ich fast 39 Jahre in der Notfall- und Unfallmedizin tätig, da kamen Kollegen auf mich zu, die von meinem Wissen über Cannabis wussten, und schlugen mir vor, ein neuartiges Projekt umzusetzen, aus dem schlussendlich die Kalapa Clinic entstand.
grow! Stehen körpereigene Cannabinoide vermehrt im Fokus der medizinischen Forschung?
M. García de Palau: Das ist ein hochspannendes Feld, denn eine Vielzahl vitaler, elementarer Funktionen unseres Körpers wie Körpertemperatur, Stimmung, Lern- und Erinnerungsvermögen, vom Appetit bis zum Schlafrhythmus und dem Hormonhaushalt, werden von ebenjenen Endocannabinoiden mit gesteuert. Wenn wir diese Systeme besser verstehen, dann werden wir auch die Phyto-Cannabinoide weitaus besser einsetzen können. Ich gehe davon aus, dass eine Vielzahl von Krankheiten in einem mangelhaften Funktionieren unseres körpereigenen Cannabinoid-Haushaltes ihre Wurzeln hat.
grow! Hatten Sie für die Gründung der Kalapa Clinic viele Hürden zu überwinden? Und wie steht es um Ihren Ruf in der medizinischen Gemeinschaft, die ja Jahrzehnte lang Cannabis als böse Droge verteufelte?
M. García de Palau: Es war und ist nicht leicht, Cannabinoide zu verwenden. Und doch ist es möglich, wenn Sie mich verstehen. Unter optimalen Rahmenbedingungen würde der Patient einfach zur Apotheke gehen, sich Cannabis, CBD-Öle oder Extrakte kaufen, doch dem ist nicht so. Gerade bei THC muss man Umwege beschreiten.
grow! Wie steht es um den Einsatz von CBD bei Epilepsie im Kindesalter?
M. García de Palau: Mich baten unlängst auf Behandlung von Kindern spezialisierte Neurologen, die ein hohes Ansehen genießen, gemeinsam mit mir Patienten zu kurieren. Ein Teil der Behandlung ist die Therapie, ein anderer das CBD für Epilepsie. Die Resultate können sich sehen lassen. Immer mehr Kollegen bekundeten Interesse am CBD-Einsatz. Ich denke, Schritt für Schritt wird eine Kehrtwende einsetzen, und CBD, aber auch THC werden weitreichenden Einsatz finden. Mehr und mehr Ärzte werden sich der Thematik zu, informieren und verschließen sich nicht länger dagegen. Auch Onkologen sehen wie Cannabis ihren Patienten hilft, und auch, dass sich ab bestimmten hohen Dosen eine antitumorale Wirkung zeigt. Bei chronischen Entzündungen des Verdauungstraktes, wie der Chron’schen Krankheit, wirkt Cannabis ebenso. Das sind Krankheiten, wo Kollegen kaum eine therapeutische Alternative zur Schulmedizin haben, wie in vielen Bereichen. Wobei die gängigen Medikamente oft sehr radikal in ihrer Wirkung sind. Eine Ausnahme sind chronische Schmerzpatienten, hier hat sich mittlerweile eine Mehrheit von der positiven Wirkung von Cannabis-Wirkstoffen überzeugen lassen.
grow! Es gibt leider Ärzte, die sich beim Thema Cannabis blind und taub stellen …
M. García de Palau: Leider gibt es die auch hier in Spanien. Sie verweigern schlichtweg jegliche Information. Dabei sollte man vor allem als Wissenschaftler, und gerade in der Medizin, offen sein für neue Entwicklungen und Studien, Fortschritte beachten, analysieren – und dann entscheiden. Nicht ignorieren! Das Wort „Droge“ ist im spanischsprachigen Raum, wie im deutschsprachigen auch ganz anders behaftet als im angelsächsischen Raum.
grow! Gibt es seitens der spanischen Sozial- und Krankenversicherungen Kassen, die für die Kosten der Behandlung mit Cannabis oder seinen Wirkstoffen aufkommen?
M. García de Palau: Nein. Patienten müssen die gesamten Behandlungskosten bis auf den letzten Cent selbst tragen. Hier fußt auch einer der Eckpfeiler der Legalisierung von Cannabis für den medizinischen Gebrauch. Denn dann müssten die Versicherungen für die Behandlungskosten ihrer Mitglieder aufkommen und Cannabis-Präparate oder eben Blüten bezahlen. CBD ist bei weitem kein günstiges Produkt. Auch korrekt analysiertes, extrahiertes THC ist verhältnismäßig teuer.
grow! Wie ist ihr Kontakt zu den „Cannabis-Clubs“ in Spanien, die in einem gesetzlichen Schlupfloch agieren, wo Patienten, aber auch Konsumenten Cannabis beziehen können?
M. García de Palau: Wir sind den Clubs zwecks Informationsaustausch sehr nahe. Dazu muss ich auch sagen, dass ich nicht nur Patienten mit CBD und THC behandle, sondern auch Cannabis-Konsumenten helfe, wenn ihr Konsumverhalten die Grenzen der Bedenkenlosigkeit überschritten hat. Cannabis als Droge ist unproblematisch. Kurioserweise werden die vergleichsweise minimalen Entzugserscheinungen, die körperlich quasi nicht existieren, und die psychologische Abhängigkeit die variabel, jedoch schwach ausgeprägt ist, mit Cannabidiol behandelt.
grow! Sie behandeln auch Patienten mit Schuppenflechte mit CBD. Wird dies kutan, sprich über die Haut als Creme verabreicht?
M. García de Palau: Korrekt. Wir verwenden eine hochdosierte CBD-Creme, die auch eine starke entzündungshemmende Wirkung hat. Wir haben zwei Typen von Patienten, die einen haben die rein kutane Psoriasis und andere die Form mit gleichzeitigen internen Beschwerden, wie starken Gelenkschmerzen, Arthropatie und starren Gliedern an Händen und Fingern. Dieses Krankheitsbild ist von sehr starken Schmerzen und einer stark eingeschränkten Mobilität geprägt. Diesen Patienten geben wir auch hochdosiertes CBD und THC gegen die Schmerzen - oral verabreicht. Ich habe Fälle, wo Patienten substanzielle Fortschritte machen.
grow! Wie viele Patienten haben Sie aktuell in Behandlung?
M. García de Palau: Nicht ganz 450. Viele Patienten stammen aus Spanien vom Festland oder eben auch von den Kanaren. Franzosen, Italiener, ein Österreicher, ein Finne, ein Ärztekollege und guter Freund, der onkologische Probleme hat, gehören ebenfalls dazu. Und einen Patienten aus Mexiko habe ich, der es eigentlich einfacher hätte, wenn er nur ein paar US-Bundesstaaten durchqueren würde.
grow! Was ist ihr Ziel?
M. García de Palau: Ich möchte von der Kalapa Clinic aus ein Netzwerk ausbauen, und nachdem ich doch schon in die Jahre gekommen bin und bevor ich diese Welt verlasse, einen weitreichenden Pool an Kollegen für die Nutzung von CBD und THC mobilisieren und vereinen. Und Patienten in allererster Linie Zugang zu Information und den Wirkstoffen geben. Patienten, aber auch Kollegen lechzen nach Information!
grow! Wie stehen Sie zur Debatte für und wider Eigenanbau von Cannabis für Patienten?
M. García de Palau: Natürlich befürworte ich den Eigenanbau von Cannabis. Es spricht nichts dagegen, im Garten neben den Tomaten zwei oder drei Cannabisstauden zu haben. Bestenfalls hat man eine mit hohem CBD-Gehalt. Eine des Typs Cannabis indica mit viel THC und eine Pflanzenzüchtung, bei der sich beide Wirkstoffe die Waage halten. Und dabei ist ja schon der Anbau der Pflanzen per se ein therapeutischer Akt. Das fühlt sich fantastisch an. Cannabis anzubauen stellt auch all jene, die keinen grünen Daumen haben, vor keine allzu großen botanischen Schwierigkeiten.
grow! Wie stehen Sie zur Selbstmedikation mit Cannabis?
M. García de Palau: Für viele Menschen wäre Cannabis von Nutzen. Und ich denke auch, ein informierter, mündiger Patient kann und sollte sich selbst mit Cannabis behandeln dürfen. Eine ideale Gesellschaft bestünde aus informierten Bürgern, die die Möglichkeit haben, den Wirkstoffgehalt ihrer Blüten per Analyse zu erfahren, etwas was zuletzt vermehrt Samenbanken übernehmen. Es ist auch Status quo, dass sich viele Patienten bereits jetzt selbst behandeln. Wichtig ist, dass sie nicht fehlgeleitet werden, z. B. durch dubiose Internetquellen. Oder auch durch wissenschaftliche Quellen, die falsche Hoffnungen wecken. Immer wieder kommt es vor, dass uninformierte Menschen ohne jegliche Erfahrung mit der psychoaktiven Wirkung von Cannabis hohe Dosen einnehmen. Das ist freilich ein schlechter Anfang mit gegebenenfalls unangenehmen Nebeneffekten, wie Schweißausbrüchen, Schüttelfrost, Angst und Atemnot. Riskant ist das nicht. THC in hohen Dosen hat noch nie ein Menschenleben gekostet. Ganz im Gegensatz zu den meisten der anderen Drogen. Und das nach 6000 Jahren Nutzung in der Medizin. Warum soll der Patient sich nicht selbst damit behandeln?
grow! Woran tüfteln Sie aktuell in ihrem Labor?
M. García de Palau: Es gibt mehr als 111 Cannabinoide, ich finde THCV (Anm. Tetrahydrocannabivarin) sehr interessant und forsche gerade daran. Uns fehlt Wissen über die Wirksamkeit aller Cannabis-Inhaltsstoffe. Was für eine Wirkstoffmischung haben wir? Denn ein jedes Element, auch Flavonoide, verändert die Wirkung und Wirksamkeit. Ich würde Cannabis gerne komplett in seine Wirkstoffe zerlegen und dann daraus das auf den Patienten abgestimmte Ideal-Misch-Präparat zusammensetzen.
Jan Marot
Dieser Artikel stammt aus der grow Ausgabe 1-2017. Wir veröffentlichen hier aus jeder neuen Ausgabe unseres Print-Magazins vier vollständige Artikel - erst als Leseproben, acht Wochen später als vollständige Texte, gratis für alle. Falls du diese Ausgabe nachbestellen möchtest, schau doch mal in unseren Shop. Alternativ findest du die Ausgabe auch als ePaper zum bequemen Lesen auf deinem Smartphone, PC oder Tablet.
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