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Ohne Cannabis würde ich schon seit Jahren im Rollstuhl sitzen!
Interview mit der spanischen Hanfaktivistin Fernanda de la Figuera
Fernanda de la Figuera wurde 1943 in Madrid geboren und lebt seit über 40 Jahren im Dorf Alhaurín el Grande im andalusischen Málaga. Ihr wird am 30. Oktober 2019 wegen Cannabisanbaus der Prozess gemacht. Legalisierungskollektive starteten eine großangelegte Solidaritätskampagne. Ein „großer grüner Marsch“ ist in Planung. De la Figuera gilt als eine der Pionierinnen der Legalisierungsbewegung und hat seit Jahren Cannabis für medizinische Zwecke angebaut. 1996 gründete sie einen der ersten Cannabis-Vereine, die Asociación Ramón Santos de Estudios del Cannabis de Andalucía. Bereits 2014 wurde de la Figuera von der Guardia Civil in ihrem Haus bei Málaga „besucht“, wo sie für Cannabis Social Clubs und andere Patienten sowie für sich selbst Cannabis angebaut hat.
Ihr erster Freispruch 1995 war der erste Meilenstein für den Eigenanbau in Spanien und markierte eine Zäsur für die Cannabis Social Clubs. De la Figuera studierte Journalismus, arbeitete Jahre als Immobilienmaklerin und gilt als „Apostelin des Eigenanbaus“. Aktuell steht sie wegen einer Hanfernte von 2014 wieder vor Gericht. Rund hundert Cannabis-Pflanzen wurden beschlagnahmt, sprich für etwa zehn Kilo getrocknetes Cannabis drohen ihr nun bis zu vier Jahre Haft.
Mit uns spricht sie im Exklusivinterview über ihr Leben und ihre Erfahrungen, wie ihr Cannabis zeitlebens im Alltag half und noch heute im Alter hilft:
Es ist ein heißer Tag Ende September im Hinterland der Costa del Sol von Málaga. Zwischen Pinienwäldern, Palmenhainen und Kaktusfeigen in Hanglage und mit Traumpanoramablick unweit von Alhaurin el Grande (bei Mijas) empfängt mich Fernanda de la Figuera überaus herzlich auf ihrer Finca, wie auch ihr Hund Nerón. Die 76-jährige ist gesundheitlich etwas angeschlagen wegen des nahenden Prozesstermins. Als „Apostelin des Eigenanbaus“ und Spaniens erste Cannabis-Aktivistin verfügt Fernada schon lange über einen grünen Daumen, wie die duftenden Blütenstände ihrer acht Cannabis-Pflanzen deutlich zeigen. Bis zu 23 Prozent THC-Gehalt hat ihre momentane Outdoor-Sorte, die sie selbst als Nachmittags-Joint gerollt gegen ihre Arthrose- und Rheuma-Beschwerden raucht.
grow! Wie geht es Ihnen in Erwartung des Prozesses am 30. Oktober?
Fernanda de la Figuera: Ehrlich gesagt, geht es mir sehr schlecht. Ich bin nicht mehr die jüngste, habe zahllose Abenteuer erlebt und mich Jahrzehnte im Aktivismus für Cannabis stark gemacht. Ich hätte auch niemals gedacht, dass mir mit 76 Jahren noch vier Jahre Haft wegen Cannabisanbaus drohen werden. Ich bin extrem besorgt und die Indizienlage und Aussichten sehen nicht besonders gut für mich aus.
grow! Erfahren Sie Solidarität von Gleichgesinnten und der Szene?
Fernanda: Ich habe um mich einen Kreis langjähriger und enger Freunde, die mich stets unterstützt haben. Dass die Hanfszene Druck macht, Demonstrationen und Kampagnen organisiert, das ist schön. Aber in Wirklichkeit geht es ihnen nicht um mich als Person, es geht ihnen darum, ihre Forderungen durchzusetzen: Die Legalisierung von Cannabis, für die ich mich auch schon seit jungen Jahren einsetze. Ich bin auch überzeugt, dass an diesem Schritt kein Weg vorbeiführen wird und dass Cannabis die Medizin des 21. Jahrhunderts ist. Weil es eine ganze Palette an Krankheiten gibt, für deren Linderung und Behandlung Cannabinoide unabdingbar sind. Ich bin Konsumentin und bin mir sicher, dass ich bereits seit Jahren im Rollstuhl sitzen müsste, wenn ich nicht Cannabis hätte. Ich habe ein Knochenleiden und hätte mich gewiss schon operieren lassen müssen, aber dank dieser wunderbaren Pflanze ist mein Körper widerstandsfähig.
grow! Konsumieren Sie regelmäßig Cannabis?
Fernanda: Mittlerweile rauche ich sehr wenig. Ein paar Joints am Tag. Aber es gibt ja viele Formen, Cannabis zu sich zu nehmen, z.B. Öle, Extrakte, Tinkturen, Cremes, aber auch Kekse, Tees und Co.
grow! Wie war Ihr erster Kontakt zu Cannabis?
Fernanda: Damals war ich 14 Jahre alt und lebte in Saragossa. Mein Vater war ein hochdekorierter Soldat der Armee unter Ex-Diktator Francisco Franco. Damals besaß Spanien noch sein Protektorat in Nordafrika im heutigen Marokko (Anm. und der Westsahara) und viele Militärs waren dort stationiert. Eines Tages war mein Vater ziemlich wütend auf einen Kameraden, weil jener „zur Stunde des Wermut“, wie man damals zu sagen pflegte (Anm. einen Aperitif und ein Glas Kräuterwein oder Bier am frühen Nachmittag), einen Haschisch-Joint geraucht hat. Und dass man das nicht auf offener Straße in der Stadt machen könne.
grow! Und wann haben Sie begonnen, selbst zu konsumieren?
Fernanda: Ich habe Journalismus in Madrid studiert und zu jener Zeit schrieb ich einige Jahre für ein Jazz-Magazin. Die Szene war eine lebendige, und hier waren auch immer viele US-Amerikaner präsent, die auf der Militärbasis von Torrejón de Ardóz stationiert waren. So lernte ich Donna Hightower kennen, einen Star der Jazzmusik. Ihr Freund war damals ein richtiger „Pot-Head“ (Anm. span. „Fumeta total“). Das war in den 60er Jahren, lange vor der Wende zur Demokratie. Ich begann, Joints zu rauchen, Haschisch-Joints, da man es aus Marokko leicht bekommen konnte. Ich hatte einen ausgezeichneten Kontakt, einen Freund, der in der spanischen Legion diente und unserer Clique immer bestes Haschisch mitbrachte, wenn er Heimaturlaub hatte.
grow! Wann pflanzten Sie Ihre erste Cannabis-Pflanze?
Fernanda: Das war bereits in den Studienjahren in Madrid, denn einmal brachte mir mein Legionär aus Marokko „Kif“ mit (Anm. gehäckselte Cannabisblüten und -blätter). Darin entdeckte ich einige Samen, die ich in meinem Haus großzog. Anfang der 1970er muss das gewesen sein.
grow! Welche Hoffnungen verbanden Sie mit der „Transition“, dem Ende der Franco-Diktatur, in Bezug auf Cannabis?
Fernanda: Mit der Wende per se standen die Hoffnungen bezüglich Cannabis noch nicht im Vordergrund, aber spätestens mit dem ersten sozialistischen Regierungschef Felipe González (Anm. PSOE) dachten wir uns schon, dass eine Legalisierung in Reichweite wäre. Aber was für ein Blender. Wir wurden getäuscht und enttäuscht. Damals habe ich den Glauben an die Politik so ziemlich verloren.
grow! Was hat Sie dazu bewogen, nach Andalusien zu ziehen, aus der damals überaus pulsierenden Hauptstadt Madrid, inmitten der „Movida“-Jahre?
Fernanda: Ich arbeitete damals für ein großes, multinationales Unternehmen aus den USA in Madrid und verdiente auch sehr gut. Doch mich interessierte diese Art Leben und das ganze Geld nicht. Ich wollte ein einfaches Leben führen, also zog ich hierher, nach Andalusien, und lebte wie ein Hippie. Und baute ab 1978/79 Cannabis für mich an, damit ich auf niemanden angewiesen war.
grow! Seit wann widmen Sie sich dem Aktivismus für eine Freigabe von Cannabis und des Eigenanbaus?
Fernanda: Das war, nachdem ich das erste Mal einen Prozess wegen meiner Cannabis-Pflanzen gewonnen habe. Das war 1995, ich wurde freigesprochen. Ich kann mich gar nicht mehr so genau erinnern, was zum Prozess führte. Ich glaube, die Guardia Civil kam einfach vorbei. Schlüsselzeuge im Verfahren war eine alte Dame, die damals noch älter war, als ich heute, und die dem Richter sagte, „Frau de la Figuera raucht hin und wieder ihre speziellen Zigaretten, aber ich kennen niemanden, der fleißiger arbeitet als sie.“ Ich verkaufte als Immobilienmaklerin damals die Wohnung der Dame als ihr Ehemann verstarb, und sie war hochzufrieden mit mir, auch da ich ihr eine neue, kleinere Bleibe vermitteln konnte. Ein guter Freund von mir sagte auch aus, dass er mich seit meiner Madrid-Jahre kenne, und ja, ich konsumiere Cannabis tagtäglich, aber ich würde niemals etwas verkauft haben. Ich wäre ganz sicher keine Drogenhändlerin. Das reichte aus. Ein andermal kam auch die Polizei vorbei und drang auf mein Grundstück ein. Das Gericht von Coin (Anm. Stadt im Hinterland der Costa del Sol) sprach mich wieder frei. Sie haben es immer und immer wieder versucht und sind immer gescheitert. Mein ganzes Leben ist von Cannabis geprägt, und heute wünschte ich, ich hätte die Pflanze früher für mich entdeckt. Und hätte niemals Tabak geraucht. Dann wäre ich wohl heute noch weitaus gesünder. Denn Tabak ist Gift, das steht außer Frage.
grow! Medizinisch betrachtet, inwieweit hilft Ihnen Cannabis im Alltag?
Fernanda: Je mehr man weiß, desto weiser wird man. Jetzt in meinem hohen Alter, wo ich mit Rheuma, Arthritis und Arthrose zu leben habe, wird mir auch bewusst, dass all meine Krankheiten, die ich als kleines Mädchen hatte, typische Kinderkrankheiten waren, die aber im Alter Auswirkungen haben können. Hätte ich damals schon Cannabis konsumiert, jetzt nicht geraucht natürlich, oder als Teenager, mein Gesundheitszustand wäre heute sicherlich besser. Unser internes Cannabinoid-System, das Endocannabinoid-System, das komplementiert sich mit externen Cannabinoiden, die wir etwa über die Inhaltsstoffe der Cannabis-Pflanze zu uns nehmen. So gut wie jeder Mensch hat ein anderes Endocannabinoid-System, reagiert anders auf die pflanzlichen Inhaltsstoffe. Ich brauche extern zugeführte Cannabinoide, um zu funktionieren. Ich und zahllose Menschen und Patienten, z.B. an Alzheimer, Rheuma oder an Krebs erkrankte Menschen. Bei Krebspatienten habe ich regelrechte Wunder mit Cannabis gesehen, zwar nicht geraucht, doch mittels Tinkturen und Ölen. Menschen, die dem Tode nahe waren und geheilt wurden.
grow! Worin liegt Ihrer Meinung nach das Problem für eine weitreichendere Nutzung der Cannabispflanze?
Fernanda: Ich bin überzeugt, dass es in der pharmazeutischen Industrie fußt und im System, in dem wir leben. Die Pharma-Industrie und die Medizin sind ein großes Geschäft, und wenn man jetzt einem Menschen, einem Patienten, zeigt, und es ihm erlaubt, dass er drei, vier, fünf Pflänzchen bei sich stehen hat, und es ihm viel besser geht, er nicht zum Arzt oder in die Apotheke gehen muss, widerspricht das total dem wirtschaftlichen System, in dem wir uns bewegen. Die großen Player im Cannabis-Geschäft haben mittlerweile vielerorts Lizenzen, um großflächig anzubauen und ihre Produkte teuer zu verkaufen.
Aber wir kleinen Konsumenten und Patienten, wir müssen durchhalten. Ich möchte das Recht haben, mein Cannabis anzubauen, genauso wie ich Tomaten anbauen kann. Und wenn ich Tomaten für den Verkauf anbaue, dann muss ich halt Steuern zahlen. Wenn es nur für den Eigenbedarf ist, dann zahle ich keine Steuern, wie für die wenigen Tomaten auch, die in meinem Garten wachsen. Die großen Lizenznehmer, die Cannabis als Medizin verkaufen und Geschäfte damit machen, sollten Steuern zahlen, aber wir Kleinbauern und Konsumenten, uns muss es gestattet sein, eigene Pflanzen anzubauen. So wie man es in Uruguay gemacht hat. Den Eigenanbau zuzulassen, ist die beste Lösung.
grow! Uruguays Gesetz räumt auch den Cannabis-Vereinen einen besonderen Stellenwert ein. Wie sehen Sie das?
Fernanda: So ausgezeichnet ist die Gesetzeslage dort auch wieder nicht. Ich habe eine gute Freundin in meinem Alter in Uruguay, und wir kennen uns eine halbe Ewigkeit. Ich habe sie nach der Legalisierung besucht und es gibt einen Punkt, über den man kaum liest und spricht: Cannabis und das Marijuana, das wir heutzutage rauchen, sind zweierlei Dinge. Das Marijuana, das ich rauche, hat zwischen 15 und 23 Prozent THC-Gehalt. Das, was wir Genusskonsumenten rauchen, kommt aus speziellen Züchtungen, der fortwährenden Selektion aus den besten Samen. Das ist nicht mehr das Gras, das wir früher einmal geraucht haben, also die Hanfpflanzen etwa zur Hippie-Ära der 60er und 70er Jahre. Das muss man meiner Meinung nach ein wenig regulieren. Und was man in Uruguay gemacht hat, ist, dass man nur leichtere Sorten mit schwächerer THC-Konzentration zugelassen hat. Diese werden auch für den Verkauf durch den Staat angebaut. Die Samen, die man in Uruguay für den Eigenanbau zugelassen hat, bringen ebenfalls Pflanzen mit nur sehr schwacher THC-Konzentration hervor. Ich kenne Samen-Produzenten aus Spanien, die in Uruguay züchten, aber dort nicht dieselben Samen herstellen dürfen wie hier. Mich bittet man aus Uruguay immer um Samen aus Spanien, weil die dortigen einfach nicht so stark sind (lacht). Ex-Präsident José „El Pepe“ Mujica legalisierte nur Cannabis, das recht nah am Industriehanf ist sowie das „Paraguayo“, gepresstes Gras, Blüten und Blattwerk aus dem Nachbarstaat. Das wird seit Dekaden in ganz Lateinamerika geraucht.
grow! Wie stehen Sie heute zum Cannabiskonsum? Hat sich da im Laufe der Zeit Ihre Meinung geändert?
Fernanda: Ich lernte den spanischen Krebsforscher Manuel Guzman in seinen jungen Jahren kennen. Auch den israelischen Pionier Raphael Mechoulam (*1930), vor über 20 Jahren, bevor ich meinen Verein ARSECA gegründet habe. Mechoulam selbst hatte seinerzeit einen Cannabis-Club in Spanien. Er zeigte mir Videos von Menschen in Altersheimen, wohl in Jerusalem, und wie es ihnen dort nach der Einnahme eines Joghurts mit Cannabis-Extrakt gesundheitlich besser ging. Die Dame im Video stand aus dem Rollstuhl auf und ging spazieren, während sie den Rollstuhl vor sich herschob. In Florida gibt es auch ein Altersheim, wo Cannabis erlaubt ist und verabreicht wird. Insbesondere im Alter ist Cannabis eine wunderbare Medizin. Es hilft gegen Schmerzen, wie z.B. bei Rheuma, es hilft bei Schlaflosigkeit, die Gedächtnisleistung verbessert sich und vieles mehr.
grow! Also nehmen Sie Cannabis hauptsächlich aus medizinischen Gründen ein?
Fernanda: Manche behaupten immer noch, Cannabis mache dumm. Aber das sehe ich nicht so. Wenn du aber mit dem Vorsatz rauchst, nichts mehr mitzubekommen und nur noch dazuliegen, dann schaffst du das natürlich auch – dass man sich komplett breitraucht. Doch die Dosis macht das Gift, wie schon Paracelsus sagte. Das ist bei allem so. Ein Aspirin kann hilfreich sein, nimm zehn und es zersetzt dir die Magenschleimhaut. Wer Cannabis nicht gewohnt ist, wird die Wirkung anders erfahren. Wer nur schwache Sorten kennt und zu den hochpotenten THC-Züchtungen kommt, wird den Effekt ebenso zu spüren bekommen. Dann ist man in einer anderen Welt. Auch eine Flasche Gin auf einmal zu trinken, ist keine gesunde Variante. Aber einen Shot oder einen Gin-Tonic, das verträgt der Körper schon. Und der Körper gewöhnt sich an die ihm zugeführten Substanzen. Bedenklich ist heutzutage vielmehr die Menge an Opiat-Medikamenten, die verschrieben, verabreicht und konsumiert werden.
grow! Und bei Cannabis ist das anders?
Fernanda: Ja, das ist ein großer Vorteil von Cannabis, eine Sucht wird der Körper danach niemals entwickeln. Aber nimm fünf Tage hintereinander Opiat-Schmerzmittel wie Tramadol und am sechsten Tag wirst eventuell schon du süchtig danach sein. Es gibt keine Entzugserscheinung bei Cannabis. In meinem Verein sage ich den Konsumentinnen und Patientinnen auch immer, wenn sie mich fragen, ob sie es denn tagtäglich konsumieren müssen: Nein, wenn es dir gut geht ohne, dann nimm es einen Tag nicht, oder zwei oder drei. Wenn du merkst, dass Cannabis dir heute den Alltag erleichtern würde, dann nimm es. Es gibt keine Abstinenzsymptome. Bei Opiaten sagt dir das kaum ein Arzt. Und ich habe ausreichend Tramadol zuhause, aber ich nehme es nicht. Und wenn ich einmal meinem Leben ein Ende setzen will, dann kann ich das jederzeit. In den USA ist das Opiat-Problem mit dem synthetischen Fentanyl extrem. Ein Drama und das große Geschäft für die Pharmaindustrie.
grow! Wie läuft Ihr Cannabis-Verein zurzeit?
Fernanda: Der Verein wurde wegen dem anstehenden Gerichtsverfahren geschlossen. Es war ein Frauen-Cannabisverein, der sich „Marías para la María“ (dt. Marien für Marijuana) nannte. Für Frauen ist es meist schwieriger, an Cannabis zu kommen. Als ich den Verein ins Leben gerufen habe, hatte ich einen riesigen Freundes- und Bekanntenkreis. Man rief mich an, wenn man selbst oder die Partnerin erkrankt war. Ein jeder Mensch hat ein Recht auf Medizin. Und zu Cannabis ganz generell: Ein jeder braucht seine Stütze im Leben, einen Gehstock, wenn man so will. Und diese wunderbare Pflanze Cannabis kann eine solche sein!
grow! Schade, dass der Verein nicht mehr existiert. Wie kam es denn zu ihrem Namen „Apostelin des Eigenanbaus“?
Fernanda: Der Eigenanbau ist für mich die mit Abstand beste Variante der Versorgung mit Cannabis. Ich finde, jeder sollte selbst sein Cannabis anbauen. Und ich unterstütze jeden dabei, zeige, wie es geht, mit nützlichen Tricks und den wichtigsten Grundlagen. Ich verschenke unentwegt Samen und bekomme auch ständig welche geschenkt, die ich wieder verteile. Wenn du selbst anbaust, weißt du, was du konsumierst. Du weißt, welche chemischen Stoffe du der Pflanze als Dünger oder zum Schutz vor Schädlingen gibst. Ich bin kein Fan des Indoor-Anbaus, ich züchte alle meine Pflanzen im Freien. Es ist auch so simpel hier, du brauchst Sonne, Wasser, Regenwurm-Humus für die Wachstumsphase und dann Fledermausdung für die Blühphase. Alles rein natürlich. Es braucht nicht mehr. Meine Pflanzen sind zu hundert Prozent ökologisch. Deshalb nennt man mich die Apostelin des Eigenanbaus.
grow! Die Pflanzen, die um uns auf der Veranda stehen, sind wahre Prachtexemplare. Haben Sie keine Angst, deshalb wieder Ärger zu bekommen?
Fernanda: Um diese paar Pflanzen kümmert sich ein guter Freund. Ich zupfe lediglich gelbe Blätter ab, gieße sie ab und an. Ich bin schon alt, und jetzt im Vorfeld des Verfahrens will ich nicht mehr Cannabispflanzen anbauen. Im Dorf kennt mich jeder und keiner sagt was gegen mich. Aber ich war eben unwissend, habe die Guardia Civil hereingelassen, als sie mit einem Großaufgebot bei mir vor dem Tor stand. Ohne Durchsuchungsbefehl. Und das war eben der Fehler. Zudem weiß ich mittlerweile auch, dass das Gericht in Coin, das für mich zuständig ist, den Polizeikräften niemals eine richterliche Verfügung ausstellen wird. Wenn ich das an jenem Tag gewusst hätte, wäre ich heute nicht in dem Schlamassel. Noch dazu kannte ich einige der Beamten schon lange und sie machten auf freundlich. Als sie einmal drinnen waren, schnitten sie alles ab und beschlagnahmten unsere gesamte Ernte. Rund hundert Pflanzen. Nicht für mich allein, sondern für alle Vereinsmitglieder. Ich habe nie ein ökonomisches Interesse beim Cannabis-Anbau gehabt. Ich mache meine Arbeit und rauche gemütlich, was mir guttut. Und zwar aus meiner eigenen Ernte.
grow! Welchen Ertrag, glauben Sie, wird eine der Pflanzen hier bringen?
Fernanda: (zählt die Blüten) Eine dieser Blüten ergibt getrocknet etwa sieben bis acht Gramm, in Summe kann diese Pflanze dann schon hundert Gramm bringen.
grow! Wir hoffen, dass Ihr Verfahren ad acta gelegt wird oder mit einem Freispruch endet und drücken dafür fest die Daumen!
Fernanda: Ad acta gelegt wird das Verfahren sicherlich nicht. Am 30. Oktober wird verhandelt werden. Und am Gericht ist man schon besorgt wegen der großen Menge an akkreditierten Journalisten und Medien. Und das aus allen Bereichen, nicht nur der Cannabis-Medien, sondern TV, Tageszeitungen, halt alles, was Rang und Namen hat. Ich war auch mehrmals im spanischen Parlament, zuletzt im Vorjahr auf Einladung der Linkspartei „Unidas Podemos“ (Anm. Gemeinsam können wir). Und auch im EU-Parlament. Im Vorjahr fragte mich Manuel Guzman zum Anlass der Parlaments-Enquete: „Und Fernanda, bist du zufrieden? All das wäre nicht möglich gewesen ohne dich. Du warst die erste, diejenige, die den Prozess in Richtung Regulierung und Legalisierung losgetreten hat.“ Das erfüllte mich schon mit enormem Stolz. Ich war die erste Hanfaktivistin. Als Guzman das erste Mal öffentlich sprach, waren wir nur drei im Publikum, mich mit eingerechnet. Das war bei der Fundación Ramon Areces in Madrid.
grow! Wie sehen Sie die Chancen, auf eine nahe Legalisierung oder Regulierung von Cannabis, insbesondere in Sachen Eigenanbau in Spanien?
Fernanda: Schon Felipe González hat uns falsche Hoffnungen gemacht. Also unter den Sozialisten, dem PSOE, wird keine Legalisierung kommen. Nicht unter Felipe und auch nicht aktuell unter „Pedrito“ (Anm. Pedro Sánchez, Premier). Alles hängt davon ab, wie stark die anderen Linksparteien sein werden. Pablo Iglesias von „Podemos“ war der erste, der uns alle vereint an einen Tisch gerufen hat, alle Aktivisten, Mediziner, Forscher, Anwälte des Legalisierungskollektivs und die Cannabis Social Clubs. „Podemos“ will die Legalisierung. In den nun gescheiterten Koalitionsverhandlungen zwischen Sánchez und Iglesias, dem PSOE und „Podemos“, betraf keiner der über 360 Punkte des angestrebten Abkommens die Legalisierung von Cannabis, das weiß ich aus einer internen Quelle. Aber früher oder später werden sie es legalisieren müssen. Dahinter liegen mittlerweile auch ökonomische Interessen. Ich habe eine abschließende, entzückende Anekdote dazu. Vor über 20 Jahren fragte mich eine Freundin aus Mexiko, ob ich nicht für einen Sommer auf ihren Sohn aufpassen und ihn bei mir aufnehmen könnte. In der Zeit, in der der damalige Teenager bei mir war, lernte er jede Menge über den Cannabis-Anbau und die Qualität. In den USA war er später mit einem Dealer befreundet, der ihn stets zur Qualitätskontrolle zu seinen Einkäufen mitnahm. Der Dealer hatte keine Ahnung von Cannabis. Einmal wurden sie jedoch von der Polizei gestoppt, mit je 100.000 US-Dollar in bar. Sie hatten aber zum Glück keine Ware im Auto. So kamen sie mit einem Jahr Haft wegen Geldwäsche glimpflich davon. Als Kalifornien Cannabis legalisierte, erhielt der Dealer von damals eine der Lizenzen für den großflächigen Anbau. Und der Teenager, der einst bei mir lernte, ist heute sein Geschäftspartner.
Jan Marot
Webtipps: Asociacion Arseca auf Twitter: @AndaluciaArseca
Cannabis-Pionierin Fernanda de la Figuera verurteilt
Dieser Artikel stammt aus der grow! Ausgabe 06-2019. Wir veröffentlichen hier aus jeder neuen Ausgabe unseres Print-Magazins vier vollständige Artikel - erst als Leseproben, acht Wochen später als vollständige Texte, gratis für alle. Falls du diese Ausgabe nachbestellen möchtest, schau doch mal in unseren Shop.
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