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Interview mit Morgan Heritage

14.12.2017 14:39
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international
Fotos: Morgan Heritage

So entsteht eine Reggae-Dynastie: Vor mehr als 20 Jahren starteten fünf Kinder eines nach Amerika emigrierten Reggae-Musikers eine Band zu Ehren ihres Vaters: Peter „Peetah“, Una, Roy „Gramps“, Nakhamyah „Lukes“ und Memmalatel „Mr. Mojo“ spielen seitdem als Morgan Heritage zu Ehren ihres Vaters Denroy Morgan. Dieses Jahr erschien ihre 18. Platte „Avrakedabra“ - und wir sprachen mit zweien der Brüder über ihre Kindheit mit Reggae, das Leben als Familienband und die Kunst, gute Stimmung in miesen Zeiten zu haben.

grow! Peetah, Mr. Mojo – schön, euch zu treffen! Heute ist euer großer Tag – 'Avrakedavra' erscheint gerade in den Läden.

Peetah: Jawoll, Chef.

grow! Wie fühlt sich das an?

Mr. Mojo: (starrt gebannt in ein MacBook, wo er auf Facebook-Kommentare reagiert und Charts vergleicht) In Deutschland ist das Album auf Platz 2 der Charts gestartet. Es ist ein Segen – das ist unsere höchste Platzierung beim Debüt, die wir weltweit je hatten.

grow! Was bedeutet das neue Album für euch?

Peetah: Sehr viel. Das ist unser erstes Album nach dem Grammy-Gewinn für 'Strictly Roots'. Wir haben an diesem Album quasi nonstop gearbeitet, seit 'Strictly Roots' erschienen ist – und nach dem Grammy-Sieg haben wir uns noch mehr bemüht. Da steckt eine Menge von uns in diesem Album – wir hatten die Messlatte ein wenig höher gelegt. Wir haben heute auch mehr Features, was früher für Morgan Heritage eigentlich ungewöhnlich war. Auf 'Strictly Roots' hatten wir sehr viele Gäste, diesmal sind es jedoch etwas weniger. Aber wir wollten welche – besonders Leute, mit denen wir noch nie etwas zusammen gemacht hatten, etwa Ziggy und Stephen Marley, R. City, Brothers from the Virgin Island, Kabaka Pyramid, Dre Island ... Und wir haben ein paar mehr Songs für die Ladies gemacht. Weißt du, das Album hat ein ... freieres Gefühl, etwa beim Song 'Reggae Night', der unsere Interpretation des Jimmy-Cliff-Songs 'Reggae Night' ist. Dieses Album schöpft aus vielen verschiedenen Quellen – so klingt Morgan Heritages Zukunft.

grow! Eure Fans sind durchgedreht, als ihr letztes Jahr den Grammy verliehen bekamt. Wie seid ihr als Familienband damit umgegangen?

Peetah: Wir sind auf dem Boden geblieben ... und haben eine Party geschmissen! Das war ein großer Moment für unsere Familie und Fans, ich meine, wir machen das hier ja auch schon seit gut 20 Jahren. Diese Anerkennung des Musik-Business‛ zu erhalten, ist eine große Sache für jeden Künstler; wir haben das nicht als selbstverständlich angesehen. Wir fühlten uns geehrt – und es hat uns nur motiviert, mehr Musik für die Leute zu machen.

grow! Wie ist die Arbeit in einer Familienband? Lebt ihr das als Demokratie oder kommt ihr durch „liebevolles Streiten“ zu Ideen?

Peetah: Lustig, dass du Demokratie sagst, Mojo hat darüber letzte Nacht im Taxi philosophiert. (Mojo lacht diebisch hinter seinem MacBook). Ja, es ist eine Demokratie. Manchmal hören wir aufeinander, manchmal hacken wir aufeinander rum. Für Morgan Heritage funktioniert das, wir verstehen uns gegenseitig. Wir machen das schon so lange, dass Mojo meine Sätze beenden kann.

grow! Geht das auch so beim Schreiben der Musik? Trägt jeder Ideen oder Texte bei?

Peetah: Alle tragen bei, aber die eigentliche Produktion wird von mir, Mr. Mojo und Gramps getragen. Wir fokussieren uns auf den Schaffensprozess, das Songwriting und die Zusammenarbeit mit anderen Musikern und Produzenten.

grow! Ihr seid in die Fußstapfen eures Vaters getreten – Denroy Morgan. Wie kam das? Wart ihr als Kinder einfach neugierig und talentiert – oder hat er euch konkret dazu ausgebildet?

Peetah: Er kam mit Profi-Musikern an, die uns ausgebildet haben. Unser Vater hatte einen Riesenhit in den USA und in der Karibik, „I'll do anything for you‟. Er war also schon bekannt, und nach seinem Durchbruch entschied er, seine Zeit und Energie in uns, seine Kinder, zu investieren. Er sah, dass wir Musik machen wollten – und hat all seine Kraft in uns gesteckt. Er war es, der uns dahin brachte, wo wir heute sind. Er war unsere erste musikalische Inspiration, ehe wir andere Künstler entdeckten. Wir haben ihm beim Proben zugesehen, er zeigte uns Studios und hat uns auch schon als Kinder mit auf die Bühne genommen. Ich glaube, Mojo war erst vier oder fünf Jahre alt, als er mit Dad das erste Mal auf der Bühne rumhüpfte. Also ... es steckt viel Musikgeschichte in unserer Familie.

Peter "Peetah" Morgan
Peter "Peetah" Morgan

grow! Ich find das interessant ... Söhne rebellieren ja normalerweise erstmal gegen ihren Dad.

Peetah: (lacht) Ja ja, das stimmt schon – aber wir lieben unseren Vater von ganzem Herzen, und er war es, der uns immer inspiriert hat. Er hat uns bei diesem Wunsch, Musik zu machen, unterstützt. Ich würde sagen, er hat für uns geträumt, ehe wir für uns selber träumen konnten. Er hat unser Talent erkannt, bevor wir es selber erkennen konnten.

grow! Geht es mit dem 'Heritage' weiter? Habt ihr Kinder, Neffen oder Nichten, die auch ins Musikgeschäft wollen?

Mr. Mojo: Unser Neffe Jemere Morgan will ins Musikgeschäft.

Peetah: Er ist schon im Geschäft!

Mr. Mojo: Ja, er hat sein Debütalbum bereits veröffentlicht, Anfang dieses Jahres. Wir sind sehr stolz auf ihn.

Memmalatel "Mr. Mojo" Morgan
Memmalatel "Mr. Mojo" Morgan

grow! Er macht auch Reggae?

Mr. Mojo: Ja, auch Reggae.

Peetah: Er ist Gramps Sohn.

Mr. Mojo: Genau. Weißt du, ich rate meinen Kindern eigentlich davon ab, ins Musikgeschäft einzusteigen. Auch wenn sie talentiert sind – es fordert einfach viele Opfer. Klar macht es Spaß, wenn man das, was man liebt, zu seinem Job machen kann, aber man muss viele Opfer bringen und es dauert sehr lange, ehe die sich bezahlt machen. Nur eine Handvoll Leute schafft den Durchbruch schon als Kids oder mit dem Debütalbum – das passiert nicht jeden Tag. Die meisten Leute machen es erstmal für fünf oder zehn Jahre, ehe sich ein Erfolg einstellt.

grow! Würdest du aber jetzt sagen, als Mitglied einer Familienband hat man es durch die gegenseitige Unterstützung einfacher – oder war es schwieriger, weil man so viele Leute über so lange Zeit auf den selben Nenner kriegen musste?

Peetah: Um ehrlich zu sein ... wir haben keine Ahnung, wie es gewesen wäre, alleine Musik zu machen.

grow! Ja, stimmt auch wieder.

Peetah: Wir haben als Familie angefangen. Für uns war das also einfach das, was wir taten. Der einzige Grund, warum einige von uns sich später mit Solo-Karrieren versucht haben, so um 2007 rum, war ja, dass wir zu dem Zeitpunkt selber Kinder hatten. Und die ältesten davon gingen schon zur Highschool oder brachen zum College auf – da wurde uns klar, dass wir eine Pause brauchten, allein schon, um etwas Zeit in die eigene Familie stecken zu können. Aber wir konnten nicht einfach Familie spielen und gleichzeitig die Musik sein lassen – wir mussten die Musik irgendwie unterbringen, auf eine Art, die weniger fordernd war. Und so kam es dann zu den Solo-Projekten. Aber die Fans spielten da nicht lange mit, die forderten die Rückkehr von Morgan Heritage (lacht). Also hatten wir unser Comeback mit 'Here come the Kings', gefolgt von 'Strictly Roots' und heute eben 'Avrakedabra'. Das ist das 'Morgan Heritage' – das ist das, wovon wir Ahnung haben. Wir haben keine Ahnung, wie man eine Karriere alleine startet.

grow! Und durch euren Werdegang habt ihr Jahrzehnte an Einblicken in die Welt des Reggae sammeln können. Was denkt ihr, wie hat sich Reggae verändert seit der Zeit eures Dads?

Peetah: Reggae war immer eine internationale Musik, schon zur Zeit unseres Vaters. Bob Marley, Toots and the Maytals, Peetah Tosh und Third World – das waren alles internationale Reggae-Acts. So, wie ich das sehe, wächst es lediglich von Generation zu Generation; jede Generation will eigene Sounds und Ideen erschließen. Wir aus den späten 80ern und 90ern waren eine rhythmusorientierte Generation. Ich denke, die Generation von heute möchte mehr ihr eigenes Ding machen, wie in den 70ern, als man nur das Drum-Intro hören musste und sofort wusste, welcher Song das ist. In den 90ern war das nicht so klar – weil es zu jedem Rhythmus zehn oder fünfzehn verschiedene Songs gab! Man kannte dann die Namen der Rhythmen, aber nicht die der Songs oder der Künstler ... so war eben unsere Generation. Aber jede Generation leistet ihren eigenen Beitrag, denn Musik ist ewig wandelbar und bleibt nie stehen. Ja, man kann Sachen recyclen, denk etwa an Bruno Mars, der etwas wiederverwendet, was in den frühen 80ern mal berühmt war. Er stellte das der jungen Generation vor – und die dachten, das sei was Neues! Aber es ist ein Sound und eine Energie, die es schon vor 30 Jahren gab. Also – Sound neu zu erfinden und Sound wiederentdecken – das ist Musik.

grow! Werdet ihr in Deutschland auf Tour gehen?

Mr. Mojo: Wir arbeiten an einer Tour im Oktober.

grow! Aber da ist noch nichts in Stein gemeißelt?


Mojo: Nein, wir werden das über unsere Social-Media-Kanäle verkünden.

grow! Festivals habt ihr auch keine im Sinn?

Mr. Mojo: Diesen Sommer nicht.

Peetah: Wir planen Festivals für 2018 ein.

Mr. Mojo: Genau, denn das Album ist gerade erst erschienen und wir wollen dem erstmal etwas Zeit geben. Außerdem haben wir letzten Sommer viele Festivals absolviert.

grow! Hattet ihr aber zumindest schon Gelegenheit, etwas von dem neuen Material live zu spielen?

Peetah: Ja, 'Reggae Night' haben wir in die Show aufgenommen ...

Mr. Mojo: … auf der Tour, die wir gerade abgeschlossen haben.

Peetah: Ja. 'Ready for Love' haben wir auch in London gespielt ... und wir werden nach und nach mehr Songs aus dem Album in die Show einbinden.

grow! Spielt ihr mit dem Gedanken, ein paar der Features mit auf Tour einzuladen?

Peetah: Ja, gut möglich.

grow! Avrakedavra klingt so positiv und so up-beat, dass ich mich wundere: Wie schafft ihr es, in solchen Zeiten eure gute Stimmung nicht zu verlieren?

Mr. Mojo: Weil das verschiedene Aspekte des Lebens sind. Es gibt Liebe und es gibt Alltagsprobleme; es gibt Gesellschaftsprobleme, über die wir uns alle beschweren wollen, aber innerlich fürchten wir uns davor, was passieren könnte, wenn wir den Mund aufmachen. Es gibt Familien-Probleme ... der Grund, wieso wir in der Lage sind, sowas zu machen, ist, weil wir alle Aspekte des Lebens und die verschiedenen Stimmungen abdecken. Manchmal bist du happy, manchmal willst du aber bloß nachdenklich sein, eine Kippe oder einen Joint rauchen. Du denkst über gestern nach und fragst dich, wie du es morgen besser machen kannst. Wir nennen unsere Musik „Lebensmusik“, und wenn wir uns an ein Album machen, versuchen wir, den Soundtrack für ein gewöhnliches Leben zu schreiben. Und deswegen findest du auf dieser Platte auch etwas für jeden. Zumal: Wenn es nicht positiv ist, ist es negativ – und wir versuchen schon, einen positiven Eindruck auf die Menschheit zu hinterlassen.

grow! Würdest du dich als religiös bezeichnen?

Mr. Mojo: Religiös? Hm, sagen wir 'bewusst'. Durch ein 'Bewusst-sein' vermeidet man Uneinigkeit. Religion schafft diese Uneinigkeit, diese Trennung: Moslem, Christ, Buddhist und all diese unglaublich vielen Untergruppen. Aber um bewusst zu sein, muss man nicht religiös sein. Bewusstsein hängt mit deiner inneren Haltung zusammen und damit, wie du im täglichen Leben mit Dingen umgehst. Du kannst etwa Bier trinken, solange du es bewusst machst – wenn ich weiß, ich werde betrunken sein, werde ich auch nicht fahren. Das ist Bewusstsein. Daher dreht es sich bei uns mehr um Bewusstsein und Spiritualität als um Religion.

grow! Du hast gerade vom Kiffen gesprochen – ist das für euch ein Ding oder nervt es euch, wenn ihr als Jamaikaner auf diesen Stereotyp reduziert werdet?

Mr. Mojo: Wir verstehen das Stigma. Marijuana ist Synonym für Reggae-Musik. Reggae-Musik nimmt dich mit, so wie dich Marijuana mitnimmt, und die beiden sind eine mächtige Kombination. Aber wir bei Morgan Heritage rauchen kein Weed – mit Ausnahme von mir. Als Band rauchen wir nicht. Leute glauben uns das manchmal nicht, so nach dem Motto: Ihr schreibt diese Texte, ohne high zu sein? Man kann auch vom Leben high sein. Aber ja, das Herb ist die Heilung der Nation. Und es gibt all diese medizinischen Anwendungsgebiete. Und das wird ein Big Business in Amerika werden.

grow! In Jamaika aber auch seit einigen Jahren ...

Mr. Mojo: Ja, wir haben es auch legalisiert oder besser gesagt entkriminalisiert. Es wird aber bald wieder weltweit legal sein, wie auch schon vor einem Jahrhundert. Die müssen nur noch klären, wie sie es monopolisieren und das meiste rausholen können – aber die medizinischen Anwendungsgebiete scheinen grenzenlos. Aber, was uns angeht, wir sagen den Leuten, dass sie verantwortungsvoll rauchen sollen. Weißt du, rauch kein Gras im Haus deiner Eltern, denn das ist respektlos. Rauche nicht in der Schule. Wenn der Lerndruck zu groß wird, dann geh in den Park und zünde dir einen an – aber erst, nachdem du deine Arbeit getan hast. Selbes Prinzip wie mit dem Alkohol – wir raten unseren Fans, Weed verantwortungsvoll zu rauchen.

Peetah: Bewusst zu sein heißt, sich alles zu vergegenwärtigen, was um einen herum vorgeht. Man sollte nichts für selbstverständlich halten, nach der Art 'Ja, whatever ...'. Bewusst sein heißt für uns, Aufmerksamkeit zu zeigen.

grow! Peetah, Mr. Mojo, danke für das Interview!

Peetah: Danke, Bruder.

Mr. Mojo: Mach's gut!

 

Dieser Artikel stammt aus der grow Ausgabe 6-2017. Wir veröffentlichen hier aus jeder neuen Ausgabe unseres Print-Magazins vier vollständige Artikel - erst als Leseproben, acht Wochen später als vollständige Texte, gratis für alle. Falls du diese Ausgabe nachbestellen möchtest, schau doch mal in unseren Shop. Alternativ findest du die Ausgabe auch als ePaper zum bequemen Lesen auf deinem Smartphone, PC oder Tablet.

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