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Noch eine GroKo: Wie geht es weiter mit Cannabis?
Mitte vergangener Woche legte sich in Berlin der politische Staub; mehr als vier Monate nach der eigentlichen Bundestagswahl konnten sich die Häupter von CDU, CSU und SPD auf einen Koalitionsvertrag einigen. Gute Neuigkeiten für Freunde des Status Quo; schlechte Neuigkeiten für Deutsche mit Lust auf Veränderungen.
Öffentlich wirkte es, als bliebe das Thema Cannabis und Legalisierung während der Sondierungen und Verhandlungen außen vor. Das Selbsthilfe-Netwerk Cannabis Medizin (SCM) wollte aber mehr wissen und wandte sich deswegen auf dem Höhepunkt der Koalitionsgespräche an Vertreter der Union und SPD. In dem Schreiben vom 21. Januar listeten sie eine Vielzahl an Problemen auf, die das Cannabis-Gesetz in seiner jetzigen Form verursacht:
- die “Nachprüfungs”-Unsitte in Apotheken, durch die sich die Preise mittlerweile verdoppelt haben
- die Herausnahme von Cannabisblüten aus dem ärztlichen Praxisbudget
- eine automatische Kostenübernahme von Cannabisblüten für alle bisherigen Inhaber einer Ausnahmegenehmigung nach §3 BtMG - eine Umfrage des SCM hatte ergeben, dass nicht einmal ein Viertel dieser Personen heute Cannabis verschrieben und erstattet kriegt
- bessere Aufklärung und Fortbildung der Ärzteschaft
- ein Ende der überzogenen Anforderungen an Ärzte und Patienten, die Krankenkasse und Medizinische Dienste nun stellen
- ebenfalls ein Ende der zeitlichen Befristung dieser Kostenübernahmen
Der SCM stellt in der deutschen Ärzteschaft eine Art Klima der Angst fest: “Viele Ärzte weigern sich generell, Cannabis zu verschreiben, weil ihnen das nötige medizinische Wissen zum komplexen Sachthema ‘Cannabinoide’ fehlt, oder weil ihnen ‘von Oben’ - also Krankenhausleitungen und Besitzern von Großpraxen die Verschreibung untersagt wird,” so Gabriele Gebhardt und Axel Junker in einer gemeinsamen Stellungnahme im Namen des SCM. Das Cannabis-Gesetz hat in ihren Augen massive Startschwierigkeiten: “Andere Ärzte wiederum, die Cannabis verschreiben würden, haben massive Angst vor Regressforderungen, was durch unangemessene Preissteigerungen für Cannabisprodukte nach Inkrafttreten des Gesetzes verstärkt wird. Überzogene Warnungen ärztlicher Standesvertreter bringen selbst Ärzte, die bislang Cannabis verschrieben haben, dazu, die Behandlung wieder abzubrechen.”
Und das Ergebnis von all dem Chaos? Dem Eigenanbau, den das Cannabis-Gesetz ja eigentlich unterbinden sollte, öffnet es “juristisch Tür und Tor,” so das SCM.
Als erstes antwortete Andrea Nahles (SPD), ging in ihrer Bleiwüste aus Textbausteinen aber nicht weiter auf die Kritik des SCM ein. In zwei abschließenden Sätzen äußerte sie sich jedoch zur Zukunft von Cannabis in der GroKo: “Dass [bei der Erneuerung, die die SPD dringend braucht] auch Fragen der Cannabispolitik eine Rolle spielen werden, ist klar. Gerne werde ich versuchen, mich in Ihrem Sinne für die Sache einzusetzen, auch wenn ich weiß, dass das mit der Union ein hartes Stück Arbeit wird.”
Etwas ausführlicher äußerte sich Marlene Morlter (CSU), deren Antwort das SCM vergangenen Montag erhielt: Ihr sei es auch weiterhin ein wichtiges Anliegen, “dass die Umsetzung des Cannabis als Medizin-Gesetzes reibungslos und im Interesse der schwerkranken Menschen erfolgt.” Auf die einzelnen Kritikpunkte geht sie nicht weiter ein, verspricht jedoch zum Ende: “Das Bundesgesundheitsministerium und ich erhalten laufend aktuelle Informationen zur Umsetzung des Gesetzes ‘Cannabis als Medizin’. Es erfolgen regelmäßige Rücksprachen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen.” Die Entwicklung werde sie “auch weiterhin aufmerksam verfolgen.”
Der Koalitionsvertrag, wie er mittlerweile veröffentlicht wurde, spricht an keiner Stelle über Cannabis. Ob das Thema bei den Verhandlungen überhaupt zur Sprache kam, ist derzeit noch unbekannt. Zwar spielte das Thema im Wahlkampf eine eher untergeordnete Rolle (und war damit in guter Gesellschaft), nahm nach der Wahl aber wieder an Fahrt auf - zum einen durch die Legalisierungspläne von Grünen und FDP, der erfolgreichen DHV-Petition an den Bundestag oder den Forderungen vom BDK und LEAP.
Eine Facette der Koalitionspläne sollte Cannabis-Enthusiasten allerdings beunruhigen - der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer kehrt nach 20 Jahren als “Superminister” nach Berlin zurück: Neben der Ressort “Bau” und einem neu erfundenen “Heimatministerium” soll dem CSU-Vorsitzenden dann auch das Bundesinnenministerium unterstehen. Ebenso wird das Gesundheitsministerium in Unionshand bleiben.
Ehe diese dritte "GroKo" unter Angela Merkels Führung nun tatsächlich zu Stande kommt, müssen erst noch die SPD-Mitglieder den Vertrag per Urabstimmung absegnen.
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